zum Hauptinhalt
Parteiische Polizei? Nach dem Vorfall von Dresden mit einem pegidanahen LKA-Mitarbeiter machte das Schlagwort von der „Pegizei“ die Runde.

©  Robert Michael/dpa

Einsätze in Chemnitz: "Die Fehlerkultur bei der Polizei ist zu schwach ausgeprägt"

Der Politikwissenschaftler Hans-Gerd Jaschke über rechte Tendenzen bei deutschen Sicherheitsbehörden und die Frage: Kann man der Polizei noch vertrauen?

Von Til Knipper

In Chemnitz beherrschte der rechte Mob die Straße, ein Haftbefehl wurde widerrechtlich wohl aus Polizeikreisen veröffentlicht, in Dresden ließ ein mit der Pegida sympathisierender LKA-Mitarbeiter ein Kamerateam von der Polizei festhalten. Er soll nun eine andere adäquate Tätigkeit außerhalb der Polizei in Sachsen wahrnehmen. Kann man der Polizei in Deutschland noch vertrauen?

Ja, kann man, die Polizei fühlt sich in ihrer übergroßen Mehrheit rechtsstaatlichen Grundsätzen verpflichtet.

Sind das, was wir jetzt erleben, dann Einzelfälle oder gibt es in Teilen der Polizei doch Sympathien für Rechtspopulismus?
Da es keine empirisch zuverlässigen Untersuchungen dazu gibt, lässt sich nicht sagen, wie viel Prozent der Beamten in Polizei und Justiz in Deutschland eine rechte oder gar rechtsradikale Gesinnung haben. Wir wissen aber, dass es diesbezüglich Risiken gibt.

Welche sind das?
Die Unzufriedenheit mit den Arbeitsbedingungen ist unter Polizisten weit verbreitet. Das zeigt sich zum Beispiel in Berlin an der der hohen Anzahl von Krankentagen, die 2016 im Durchschnitt bei 49 Tagen lag. Die Beamten erleben aber auch im Alltag situative Überforderungen, wenn sie die Erfahrung machen, dass sie ausländische Tatverdächtige im Zusammenhang mit Drogendelikten festnehmen, sich daraus aber keine Konsequenzen ergeben, im Gegenteil, sie dieselben Personen einige Tage später wegen identischer Vergehen wieder festnehmen müssen. Man darf nicht vergessen, dass es vor allem die Polizei ist, die mit den Schattenseiten der Zuwanderung zu tun hat, also mit denjenigen Migranten, die kriminell werden. Es besteht die Gefahr, dass die Polizeibeamten solche Erfahrungen generalisieren. Das macht sie dann auch offener für vorurteilsbelastete fremdenfeindliche Positionen rechter Parteien wie der AfD.

Ist die Polizei im Osten diesbezüglich stärker gefährdet?
Nein, das lässt sich nicht verallgemeinern, aber die Polizei ist am Ende auch nur ein Spiegel der Gesellschaft. Wenn die AfD in Sachsen, wie bei der Bundestagswahl geschehen, ein Ergebnis von 27 Prozent erzielt, dann gibt es selbstverständlich auch bei der sächsischen Polizei viele AfD-Anhänger.

Was kann man diesen Tendenzen bei der Auswahl der Beamten und bei ihrer Aus- und Fortbildung entgegensetzen?
Man kann gerade bei jüngeren Beamten in der Ausbildung feststellen, dass sie mit einzelnen Positionen der AfD sympathisieren, wie den Parolen von der „Lügenpresse“ oder den Forderungen nach einer Schließung der Grenzen. Dem muss man durch vermehrte Angebote politischer Bildung entgegentreten. Es bedarf größter Sensibilität innerhalb der Polizeiführung und bei den politischen Verantwortlichen gegenüber solchen Entwicklungen.

Das Fach „Politische Bildung“ ist aber doch bisher auch schon Teil der Ausbildung.
Ja, auch die Themen Zuwanderung, Migration, Fremdenfeindlichkeit und Grundlagen der Demokratie spielen jetzt schon eine Rolle in der Aus- und Fortbildung von Polizeibeamten, sie sind aber deutlich unterrepräsentiert gegenüber den polizeipraktischen Fächern.

Ist die Anfälligkeit für rechtes Gedankengut auch deswegen höher bei Polizisten, weil das Ansehen ihres Berufes in den vergangenen Jahren gelitten hat?
Was das Ansehen des Polizeiberufs angeht, erleben wir eine widersprüchliche Entwicklung. Umfragen zeigen immer wieder, dass sich weite Teile der Bevölkerung einen starken Staat wünschen und auch deswegen der Beruf des Polizisten ein hohes Ansehen genießt, ähnlich hoch wie der von Feuerwehrleuten und Ärzten.

Aber empfinden die Beamten selbst das auch so?
Das ist die Kehrseite. In der Realität machen die Beamten die Erfahrung, dass der Widerstand gegen polizeiliches Handeln stark zugenommen hat. In Berlin gilt das insbesondere für Angriffe auf Polizisten aus dem militanten Lager der Linksautonomen, wo die Polizei per Fehlalarm in die Rigaer Straße gelockt wird und bei ihrem Eintreffen mit einem Steinhagel begrüßt wird. Das wiederum treibt natürlich Polizeibeamte auch in die Ecke von Konservativen und Rechtspopulisten, die völlig überzogene Forderungen nach Recht und Ordnung erheben.

Was müsste die Polizei ihrerseits noch unternehmen, dass bei Vergehen ihrer Beamten nicht ein gewisser Corpsgeist untereinander die Aufklärung erschwert oder gar verhindert?
Der Begriff des Corpsgeist ist negativ besetzt. Richtig ist, dass der Polizeiberuf im Alltag im Streifendienst einer besonderen Form der engen und vertrauensvollen Zusammenarbeit bedarf, weil Polizisten hohen Risiken ausgesetzt sind. Das kann aber auch dazu führen, dass Straftaten von Kollegen aus Gewissenszwängen nicht angezeigt werden. Insgesamt ist die Fehlerkultur bei der Polizei zu schwach ausgeprägt. Wenn Beamte Fehler machen, tendiert die Polizei dazu, das nicht öffentlich zu machen. Insofern war das Eingeständnis des Polizeisprechers in Chemnitz, man habe zu wenig Beamte vor Ort gehabt, ein Schritt in die richtige Richtung.

Wie ließe sich die Fehlerkultur noch weiter verbessern?
Es gibt zwar Vertrauensleute und den psychologischen Dienst in der Polizei. Wir diskutieren aber seit Jahren ohne Ergebnis über Ombudsleute außerhalb der Polizei. Meines Erachtens wäre es am sinnvollsten, wenn wir auf Landesebene Polizeibeauftragte einführen, vergleichbar mit dem Wehrbeauftragten auf Bundesebene. Der Blick von außen ist unersetzlich, polizeiintern kann das Fehlverhalten von Beamten nicht wirklich effektiv bearbeitet werden.

Das Gespräch führte Til Knipper.

Hans-Gerd Jaschke ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.
Hans-Gerd Jaschke ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin.

© Thilo Rückeis

Hans-Gerd Jaschke ist Politikwissenschaftler und lehrt an der Hochschule für Wirtschaft und Recht Berlin am Fachbereich Polizei und Sicherheitsmanagement.

Zur Startseite