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Politik: Einsamer Sieger, einsamer Verlierer

Auch die eigenen Leute kritisieren Rumsfelds Arroganz – der Verteidigungsminister wird zur Belastung für Bush

Wer als Politiker die Opposition erzürnt, macht seine Sache oft gut. Wer jedoch zusätzlich den Chef, sein Ministerium und seine eigene Partei verprellt, um den steht es schlecht. Fast täglich vergrößert sich der Kreis derer, die den wortgewandten, schnoddrigen, extrem selbstbewussten US- Verteidigungsminister kritisieren. Donald Rumsfeld hat sich isoliert. Nicht einmal seine eigene Behörde, das Pentagon, steht mehr hinter ihm. Über den jüngsten Skandal in einer langen Reihe berichtete am Freitag die „New York Times". Dem Artikel zufolge hat sich Rumsfeld mit seiner teils ignoranten, teils arroganten Art nun auch den Zorn prominenter Republikaner aus dem Kongress zugezogen. Der Anlass: ein Brandbrief aus dem Senat, den der 71-Jährige nicht einmal erhalten haben will.

Das private Schreiben an Rumsfeld wurde vor einer Woche versandt. Als Absender zeichnet John Warner, der landesweit respektierte Vorsitzende des Verteidigungssausschusses des Senats. In dem Brief geht es um einen General namens William Boykin, der im Verteidigungsministerium immerhin den Rang eines stellvertretenden Staatssekretärs innehat. Von Boykin waren zuvor höchst bedenkliche Aussagen in der Öffentlichkeit kolportiert worden. So hatte er in Reden nicht nur die Wahl von George W. Bush als Gottesgeschenk bezeichnet, sondern auch den Kampf gegen militante Islamisten mit dem Feldzug gegen den Satan verglichen. Freilich sei der Gott der Christen dem ihrer Feinde überlegen. Bush selbst hat sich auf seiner Asien-Reise von diesen Äußerungen distanziert. Nicht jedoch Rumsfeld. Der hat seinen General bis heute nicht kritisiert. Das wiederum verwunderte, parteiübergreifend, viele Senatoren. Deshalb schrieben sie den Brief und baten den Verteidigungsminister um eine Klärung.

„Ich kenne den Brief nicht“

Bis Dienstag blieb die Antwort aus. Folglich ging Warner mit dem Brief an die Öffentlichkeit. Rumsfeld indes gab sich vollkommen ahnungslos. „Ich kenne diesen Brief nicht", sagte er Reportern. Vielleicht flattere dieser „irgendwo im Gebäude" herum. Diese Episode hat das Fass offenbar zum Überlaufen gebracht. Mehr und mehr Republikaner, schreibt die Zeitung, beschweren sich über Rumsfelds Selbstherrlichkeit und Respektlosigkeit. Einer von ihnen wird gar mit dem Satz zitiert, Rumsfelds Art beschädige das Weiße Haus. Der Verteidigungsminister ist zu „einem Klotz am Bein des Präsidenten“ geworden.

Eins kommt zum anderen. Kurz nach dem Irak-Krieg ließ sich Rumsfeld noch als intelligenter Stratege feiern, der alle Ratschläge ignoriert und trotzdem einen glorreichen Sieg errungen hat. Doch das änderte sich schnell. Weil er den Siegesruhm alleine kassieren wollte, wird ihm nun auch alles, was schief läuft, angekreidet.

Quittung von Bush

Und es läuft vieles schief. Weder Osama bin Laden noch Saddam Hussein sind von den US-Soldaten bislang gefunden worden. Der Al-Qaida-Chef provoziert sogar seine Häscher regelmäßig mit Tonbandaufnahmen. In Afghanistan melden sich die Taliban zurück, im Irak erstarken die anti-amerikanischen Guerillakämpfer. Der Nachkrieg war eine Planungspleite. Oppositionspolitiker der Demokraten haben Rumsfeld deshalb schon mehrfach zum Rücktritt aufgefordert.

Die erste Quittung für sein Versagen erhielt Rumsfeld vor einigen Wochen von Bush persönlich. Der nämlich beauftragte seine Sicherheitsberaterin Condoleezza Rice mit der Schaffung einer so genannten Stabilisierungsgruppe für den Irak. Das kam einer Düpierung des Pentagon-Chefs gleich, der entsprechend verschnupft reagierte. Reporterfragen nach seiner Degradierung beantwortete er spürbar erregt. Im internen Machtkampf zwischen Pentagon und Sicherheitsrat hatte er den Kürzeren gezogen.

Vor wenigen Tagen dann gelangte ein internes Memorandum, das Rumsfeld verfasst hatte, an die Öffentlichkeit. Darin äußert er sich besorgt über die Entwicklungen im Irak und regt die Schaffung einer Organisation an, die besser als das Verteidigungsministerium den Terrorismus bekämpfen könne. „Sind wir dabei, diesen Krieg zu gewinnen oder zu verlieren?", fragt Rumsfeld in dem Papier. „Fangen, töten und entmutigen wir mehr Terroristen, als radikale Kleriker täglich neu rekrutieren?“ Für einen Großteil der amerikanischen Presse gilt das Memorandum als Eingeständnis des Ministers, dass die Kritiker des „globalen Kampfes gegen den Terrorismus" in vielen Punkten Recht haben. Außerdem sei es ein Ausdruck seiner Frustration. Kurz vor Beginn des Präsidentschaftswahljahres ist Rumsfeld für Bush zu einer Belastung geworden.

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