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Einsatz der Bundeswehr in Syrien: Von Krieg will niemand reden

Die Regierungsparteien meiden das Wort "Krieg" für den Einsatz der Bundeswehr im Kampf gegen den IS. Doch gefährlich ist die Mission in Syrien. Was steht für Deutschland auf dem Spiel?

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Die Bundesregierung stellt sich an die Seite Frankreichs und beteiligt sich am internationalen Kampf gegen die Terrormiliz „Islamischer Staat“ (IS). Am Dienstag brachte das Kabinett das Mandat für den Einsatz auf den parlamentarischen Weg. Heute beschäftigt sich der Bundestag in erster Lesung mit dem Einsatz.

Zieht die Bundeswehr jetzt in einen neuen Kriegseinsatz?

Diese Frage bringt manchen Vertreter der Regierungsparteien in Erklärungsnot. Am deutlichsten lässt sich das bei der CSU erkennen. In der Landesgruppe des Bundestags gab es nicht nur kritische Nachfragen zur rechtlichen Basis für das deutsche Mandat. Chefin Gerda Hasselfeldt führte am Dienstag auch einen Eiertanz um das Reizwort „Krieg“ auf. „Das ist kein Kriegseinsatz, sondern ein Signal der Solidarität mit Frankreich“, betonte sie. Auch eine „Kriegsbeteiligung“ will sie nicht erkennen, obwohl, wie ein Journalist beim CSU-Pressestammtisch in Berlin anmerkte, deutsche Tornados die Bomberziele ja nicht zu Übungszwecken ausspähten. Aber Hasselfeldt definierte sich den Krieg passend: „Wir bomben nicht.“

Auch Verteidigungsministern Ursula von der Leyen (CDU) ist das Wort Krieg bisher nicht über die Lippen gekommen. Dort „prallen ja nicht zwei Staaten aufeinander“, sagte sie kürzlich in der ARD und sprach stattdessen von einem „bewaffneten Konflikt“. Bei der SPD redet man ohnehin lieber von Frieden denn vom Krieg. Familienministerin Manuela Schwesig (SPD) legte am Dienstag Wert darauf, zu erläutern, dass die „militärischen Mittel“ nicht die einzige „Maßnahme“ gegen den IS seien. Diese seien „eingebettet in einen Befriedungsprozess“.

Warum werden 1200 Soldaten für den Einsatz gebraucht?

Die Obergrenze für den Syrieneinsatz ist sehr hoch angesetzt. Faktisch werden zunächst 700 bis 800 Soldaten in den Einsatz gehen. 250 davon sind Marinesoldaten einer deutschen Fregatte, die den französischen Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ schützen soll. Für die sechs Aufklärungstornados und das Betankungsflugzeug werden neben den Besatzungen mehrere hundert Soldaten zur Unterstützung verlegt – vor allem Techniker und Logistiker. Möglicherweise kommen weitere Spezialisten hinzu, beispielsweise Sanitätspersonal.

Zudem wird ein Puffer eingeplant. Er soll verhindern, dass die Obergrenze bei einem Kontingentwechsel, wenn abziehende und nachrückende Soldaten parallel im Einsatz sind, überschritten wird. In Militärkreisen heißt es zudem, das Mandat solle Raum für Aufstockung lassen, falls Deutschland aufgefordert werden sollte, zusätzlich etwa Aufklärungsflugzeuge oder ein weiteres Marineschiff zu entsenden.

Wie bereitet sich die Bundeswehr auf den Einsatz vor?

Schon kommende Woche sollen die ersten Aufklärungstornados Deutschland verlassen, auch die Fregatte soll sich schon Anfang kommende Woche auf den Weg machen, um sich dem französischen Einsatzverband mit dem Flugzeugträger „Charles de Gaulle“ anzuschließen. Der befindet sich bereits im östlichen Mittelmeer. Die Entscheidung, welches deutsche Schiff für den neuen Einsatz herangezogen wird, fällt kurzfristig. Es wird entweder die „Hamburg“ oder die „Augsburg“ sein. Beide Schiffe sind derzeit im Mittelmeer, die „Hamburg“ im Rahmen der regulären Nato-Seeüberwachung, die „Augsburg“ zur Seenotrettung von Flüchtlingen.

Vor allem die Soldaten auf der „Hamburg“ dürften hoffen, dass der Kelch an ihnen vorübergeht. Sie sind seit mehr als vier Monaten auf See und sollten vor Weihnachten wieder in Deutschland einlaufen. Die „Augsburg“ hingegen ist erst seit zwei Wochen im Einsatz. Auch bei der Luftwaffe muss jetzt schnell gehandelt werden. Am Dienstag war noch offen, welche Geschwader Flugzeuge und Besatzungen stellen werden. Ab Mittwoch sollten aber bereits die ersten Einsatzbefehle erteilt werden. Nächste Woche sollen dann die ersten Aufklärungsflugzeuge in die Türkei fliegen. Der Nato-Stützpunkt Incirlik ist als Basis für die Flüge über das IS-Gebiet vorgesehen. Auch das deutsche Betankungsflugzeug wird hier stationiert.

Werden sich deutsche Soldaten auch direkt in Syrien aufhalten?

Das ist nicht vorgesehen. Die Aufklärungstornados überfliegen Syrien und das IS- Einflussgebiet lediglich, um das Vorgehen der Terrormiliz zu erkunden und ihre Rückzugsorte ausfindig zu machen. Sollte eine deutsche Maschine über dem Einsatzgebiet abstürzen oder abgeschossen werden, würden Spezialeinheiten der Anti- IS-Allianz versuchen, die Besatzung zu bergen. Infrage kämen dafür amerikanische oder französische Einheiten. Das Betankungsflugzeug wird sich nicht über dem Kampfgebiet aufhalten. Die Luftbetankung findet über sicherem Gebiet statt. Einsatzgebiet für die deutsche Fregatte sind östliches Mittelmeer, Rotes Meer, Persischer Golf sowie „angrenzende Seegebiete“, heißt es im Mandat.

Wie gefährlich ist der Einsatz für die deutschen Tornados?

Es ist nicht auszuschließen, dass IS- Dschihadisten einen Tornado vom Himmel holen. Im Dezember 2014 war eine jordanische F-16 über Syrien abgestürzt, der IS nahm den Piloten gefangen – und verbrannte ihn Wochen später bei lebendigem Leib in einem Eisenkäfig. Die im Internet verbreiteten Bilder schockten die Welt. Jordanien gab zunächst an, das Kampfflugzeug sei mit einer Rakete abgeschossen worden. Das behauptete auch der IS. Die USA widersprachen kurz darauf.

Es ist lange bekannt, dass islamistische Terrororganisationen wie Al Qaida und vermutlich auch der IS über Luftabwehrraketen verfügen, die ein Kämpfer von der Schulter aus abschießen kann. Schon im August 2014 berichtete die „Washington Post“, der IS habe solche „Manpads“ bei der Eroberung eines Stützpunkts der syrischen Luftwaffe erbeutet.

Erhöht sich durch den Einsatz die Terrorgefahr in Deutschland?

Racheaktionen des IS und weiterer dschihadistischer Gruppierungen sind nicht auszuschließen. Kämpfer des IS haben der Bundesrepublik bereits wegen der Lieferung von Milan-Panzerabwehrraketen an die kurdischen Peschmerga gedroht. Außerdem erwähnte der IS im Bekennerschreiben zu den Anschlägen in Paris im November ausdrücklich die „Kreuzfahrernation“ Deutschland.

Rache für den Einsatz von Tornados könnten auch andere Terrorgruppen nehmen wollen, vor allem Al Qaida. Deutsche Kampfflugzeuge würden auch von der in Syrien kämpfenden Al-Qaida-Filiale, der Al-Nusra-Front, als Angriff wahrgenommen. Sie hat in Syrien vielfach unter Beweis gestellt, dass sie zu verheerenden Anschlägen fähig ist. Außerdem ist Al Qaida im Bürgerkriegsgebiet mit der gefährlichen Khorasan-Gruppe präsent. Sie setzt sich vor allem aus Al-Qaida-Veteranen zusammen, die von Afghanistan, Pakistan und dem Iran nach Syrien gekommen sind.

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