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Ein Transporthubschrauber des Typs CH-53.

© Rainer Jensen / dpa

Einsatzbereitschaft der Bundeswehr: „Leyen kann immer weniger halten, was sie verspricht“

Über den Inhalt von Berichten zur Einsatzbereitschaft großer Waffensysteme der Bundeswehr müssen Abgeordnete künftig schweigen. Die Opposition ist verärgert.

Hubschrauber stehen wegen Reparaturstaus am Boden, beim Tornado-Kampfjet fehlen Ersatzteile, U-Boote sind wegen Batterieschäden über fünf Monate hinweg überhaupt nicht einsatzbereit. Kurz: Das Material der Bundeswehr ist oftmals in einem äußerst desolaten Zustand. Ganze 30 Prozent des sogenannten Großgeräts waren 2018 nicht einsatzbereit – Ausfälle durch Wartungs- und Modernisierungsarbeiten noch nicht einmal eingerechnet.

Doch genau solche Berichte zur Einsatzbereitschaft großer Waffensysteme der Bundeswehr sollen künftig als geheim eingestuft werden. Das geht aus einem Schreiben von Generalinspekteur Eberhard Zorn an den Verteidigungsausschuss des Bundestags hervor, das dem Tagesspiegel vorliegt. Bundestagsabgeordnete dürfen sie damit nur noch in der Geheimschutzstelle des Bundestags lesen und nicht mehr über die Inhalte sprechen. Selbst wenn sie sich vor Ort Notizen machen, müssen diese dortbleiben.

"Verschärfte sicherheitspolitische Lage"

In dem Brief des Generalinspekteurs heißt es, der Bericht für das Jahr 2018 sei im Vergleich zu den vergangenen vier Jahren umfangreicher und detaillierter geworden. „In der Gesamtschau lässt er nunmehr so konkrete Rückschlüsse auf die aktuellen Fähigkeiten der Bundeswehr zu, dass eine Kenntnisnahme durch Unbefugte die Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland schädigen würde.“ Vor dem Hintergrund der „verschärften Sicherheitspolitischen Lage“ und des deutschen Beitrags zur Sicherheitsvorsorge in der Nato sowie zum Schutz der Truppe seien daher die Informationen des Berichts „in ihrer Gesamtheit“ geheim zu halten.

Damit könnte es für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) künftig schwieriger werden, im Bundestag eine Mehrheit für eine deutliche Aufstockung des Wehretats zum Kauf neuer Rüstungsgüter zu erhalten. Eigentlich hatte die Bundesregierung der Nato eine Steigerung der Wehrausgaben auf 1,5 Prozent des BIP bis 2024 zugesagt. Doch Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) drückt auf die Bremse.

Deutliche Kritik an der Einstufung des kompletten Berichts über die Einsatzbereitschaft kam aus der Opposition. „Ursula von der Leyen kann gegenüber den Nato-Partnern immer weniger halten, was sie verspricht. Sich deshalb aber peinlich berührt einzuigeln, halte ich für einen schweren Fehler“, sagte die verteidigungspolitische Sprecherin der FDP, Marie-Agnes Strack-Zimmermann, dem Tagesspiegel. „Es ist absurd, dafür das Parlament zu bestrafen, anstatt dass die Verteidigungsministerin die Probleme löst. Für die Akzeptanz der Bevölkerung bei den dringend nötigen Investitionen in die Bundeswehr ist Transparenz die Grundvoraussetzung.“

"Wir brauchen keine Geheimhaltung"

Der Grünen-Wehrexperte Tobias Lindner betonte, Frau von der Leyen habe sich bisher immer Transparenz auf die Fahnen geschrieben – nun würden viele unangenehme Themen zunehmend als Verschlusssache eingestuft. „Wenn sie weiter so agiert, wird sie wohl als gescheiterte Ministerin in die Geschichtsbücher eingehen statt mit ihren sogenannten Trendwenden“, sagte er dem Tagesspiegel.

Der Linken-Politiker Matthias Höhn kritisierte, die Geheimhaltung sei ein „windiger Versuch“, dadurch Schweigen über die gescheiterte Verbesserung bei der Materialbeschaffung herzustellen. „Wir brauchen keine Geheimhaltung, sondern Klarheit darüber, warum Frau von der Leyen nicht in der Lage ist, ihre Ankündigungen einzulösen. Dazu gehören ganz zentral auch die Beschaffungen: Die werden immer teurer und immer später fertig als vorher vollmundig angekündigt.“

Generalinspekteur Zorn sieht die Bundeswehr indes auf einem guten Weg. Obwohl das Material aktuell so stark beansprucht werde wie seit 20 Jahren nicht, habe der Abwärtstrend bei der Einsatzbereitschaft der Hauptwaffensysteme „weitgehend“ gestoppt werden können, in Teilen sei sogar eine Verbesserung erreicht worden. Er muss allerdings ebenfalls vermerken: „Auch wenn der eingeschlagene Weg richtig ist, sind wir noch nicht am Ziel.“

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