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Proteste in Peru: "Nie mehr Fujimori" steht auf dem Schild, das der Demonstrant in Lima hochhält. Der Ex-Präsident sitzt wegen Korruption schwerer Menschenrechtsverbrechen im Gefängnis, seine Anhänger halten aber die Mehrheit Parlament.

© Ernesto Benavides/AFP

Einträge aus dem LOGBUCH: Vom Klima in Lima

In Peru fürchtet man sich vor einem politischen Comeback des inhaftierten Ex-Präsidenten Alberto Fujimori. Eine Kolumne.

Im Theater Casa Yuyachkani, in einer limenischen Villa, klingt der Sound des Protests. Die politische Krise im Land scheint chronisch zu sein und greift tief. Nach der szenischen Lesung zum 25. Jahrestag der Ermordung des Gewerkschafters Pedro Huilca finden die applaudierenden Hände einen gemeinsamen Rhythmus. Darauf folgen Protestrufe: Pedro Huilca! Pedro Huilca! Nie wieder Fujimori!

Einen Tag vor der Lesung hatte es eine Demonstration in der Innenstadt gegeben. Das politische Peru befindet sich im Ausnahmezustand: Präsident Pedro Pablo Kuczynski wäre diese Woche fast abgesetzt worden. Aufgrund einer scheinbaren Verstrickung in die Korruptionsaffäre rund um das Bauunternehmen Odebrecht, das in vielen Ländern Lateinamerikas für Skandale gesorgt hat. Vorgestern hat das Parlament knapp entschieden, dass er bleiben darf.

„Warum gehen all die Menschen für einen korrupten Präsidenten auf die Straße?“, frage ich eine junge Dramatikerin. „Niemand ist hier für Kuczynski auf die Straße gegangen“, erklärt sie, der sei ohnehin nur das kleinere Übel gewesen. Die Menschen demonstrieren gegen die „Fujimoristas“: Der ehemalige autokratische Präsident des Landes, Alberto Fujimori, sitzt wegen Korruption und Menschenrechtsverletzungen im Gefängnis. Seine Mannschaft beherrscht dennoch mit großer Mehrheit das Parlament. Geführt von der Tochter, Keiko Fujimori, die im vergangenen Jahr nur knapp die Wahl verlor. Viele glauben, dass Keiko, einmal an der Macht, ihren Vater begnadigen und Peru so wieder in eine Autokratie abrutschen würde. Und zwar mit genau jenem Regime, das, so erzählt es das dokumentarische Theaterstück im Casa Yuyachkani, durch den Einsatz von Paramilitärs Huilca ermordet hatte. Was es zu verlieren gebe? „Alles“, sagt die Dramatikerin und andere stimmen ihr zu: alles, was sie in den vergangenen Jahren erreicht hätten für die Rechte von Frauen, von LGBTI, für Pressefreiheit und auch auf die Aufarbeitung der jüngeren Vergangenheit. „Die wollen die Geschichte umschreiben.“ Diesmal, wird mir erzählt, komme Peru da nicht mehr raus, denn die Fujimoristas beherrschten bereits wichtige Institutionen des Landes.

„Du bist in einer bewegten Zeit gekommen – interessant für einen Autor“, sagt ein Theaterregisseur zu mir, den ich hier über das Goethe-Institut kennengelernt habe, das mich für eine Schreibresidenz nach Lima eingeladen hat. Wie oft habe ich diesen Satz in den vergangenen Monaten gehört, zum Beispiel im April in Warschau, wo ich mit anderen Autoren dieses Jahr gelesen habe, und überall fragt man mich nun, spätestens seit der letzten Bundestagswahl, nach dem Rechtspopulismus in Deutschland. Nie zuvor beobachtete ich, wo immer ich hinkam, so viel Polarisierung. Aber auch so viel Mut und Energie, die Zunahme von Autorität nicht hinzunehmen.

Im Stück rezitiert ein Schauspieler eine Rede Huilcas: „Wir entgegnen den Drohungen derer, die heute stark sein mögen, aber nicht das Recht haben, gegen die Menschen zu agieren. Wir sagen ihnen, dass wir unumstößlich bleiben werden, wie vor uns schon José Carlos Mariátegui, Andrés A. Cáceres und Túpac Amaru.“ Der letzte Inka-Herrscher, der Widerstandskämpfer Tupac Amaru, wurde 1572 am Hauptplatz der Provinzhauptstadt von Pedro Huilcas Heimat, in Cusco, siebenundzwanzigjährig von den Spaniern enthauptet. Sein unbeugsamer Geist, der in Huilca auflebte, wird auch diese Phase der weltweiten Rückbesinnung auf Autorität überdauern.

Deniz Utlu

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