zum Hauptinhalt
Deutsche Sprache gute Sprache. Nur das Familienleben darf davon nicht abhängen, findet Brüssel. Sprachtests nach Einreise wären vereinbar mit EU-Recht.

© dpa

Einwanderer: Deutschtest im EU-Test

Nach einem Richterspruch wachsen die Zweifel, ob der Sprachnachweiszwang vor einer Einreise nach Deutschland korrekt ist. Jetzt muss Europa entscheiden.

Der Pflichtsprachtest für nachziehende Familienangehörige von Einwanderern muss möglicherweise abgeschafft werden. In einem Beschluss hat das Bundesverwaltungsgericht erstmals Zweifel an der Vereinbarkeit der deutschen Vorschrift mit europäischem Recht erkennen lassen und festgestellt, sie müsse dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt werden.

Der Sprachtest ist in Deutschland seit Herbst 2007 vorgeschrieben. Seither müssen Kinder, Eltern oder Ehepartner aus dem Nicht-EU-Ausland Grundkenntnisse der deutschen Sprache nachweisen können, bevor sie im Zuge der Familienzusammenführung nach Deutschland dürfen. Bürger von Ländern wie Australien, Japan, Südkorea oder der USA sind von dieser Pflicht ausgenommen.

Bisher hatte die Bundesregierung immer wieder auf die Leipziger Bundesverwaltungsrichter verwiesen, die den Zwang zum Sprachtest vor Einreise für europarechtskonform hielten. Den Hinweis der Linksfraktion auf eine deutlich andere Einschätzung der EU-Kommission hatte noch im September der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Ole Schröder (CDU), mit den Worten abgetan, es sei „nicht die Aufgabe der Bundesregierung, sich fortlaufend zu einzelnen Rechtsauffassungen und abstrakten Rechtsfragen“ zu äußern und „einen juristischen Fachdisput“ zu führen. Die Bundesregierung ziehe daraus „keine Rückschlüsse auf die deutschen Regelungen zum Sprachnachweis“, hieß es in einer Antwort auf eine ähnliche Frage der Grünen-Fraktion. Dabei hatte die Vizepräsidentin der EU-Kommission und Kommissarin für Justiz, Grundrechte und Bürgerschaft, Viviane Reding, die mangelhafte Umsetzung der Brüsseler Vorschriften zum Familiennachzug in einem Brief an Berlin kritisiert und mitgeteilt, es sei ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Deutschland eingeleitet.

Leipzig scheint nun aber – anders als die Bundesregierung – durch die Einschätzung der Brüsseler Juristen ins Grübeln gekommen zu sein. Der 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hatte Ende Oktober eigentlich nur noch die Kosten eines Verfahrens zu entscheiden, mit dem ein kamerunisches Ehepaar sein Zusammenleben in Deutschland erwirkt hatte. Erstmals beziehen sich die Leipziger Richter dabei aber ausdrücklich auf ein Gutachten der EU-Kommission vom Mai 2011. Darin war in einem niederländischen Fall festgestellt worden, dass Sprachvorschriften zwar rechtens seien, aber nicht das Menschenrecht auf Familienleben einschränken dürften, indem man sie zur Bedingung für die Familienzusammenführung mache. Wenig später zog die Regierung in Den Haag ihre Schlüsse und kippte den verpflichtenden Sprachnachweis vor der Einreise.

Womöglich steht dies jetzt auch der Bundesregierung bevor. Die zeigt sich bisher aber unbeeindruckt. Auf Anfrage des Tagesspiegels ließ das Bundesinnenministerium wissen, es könne dem neuen Leipziger Beschluss „nicht entnehmen, dass das Gericht von seiner inhaltlichen Auffassung, wonach das deutsche Sprachnachweiserfordernis mit Grundgesetz und europäischem Recht vereinbar ist, abweichen wollte“. Außerdem sieht man sich wegen fehlender Streitfälle auf EU-Ebene außer Gefahr: Es gebe „nach wie vor“ keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs dazu, „und es ist nach Kenntnis der Bundesregierung auch kein solches Verfahren anhängig.“ Die Linken-Abgeordnete Sevim Dagdelen, die sich mit ihren Mitarbeitern seit langem um das Thema kümmert, nennt dies „unerträglich heuchlerisch“. Von den Migranten fordere die Bundesregierung ständig die Beachtung der Rechtsordnung, „während sie selbst geltendes europäisches Recht missachtet und verletzt.

Zur Startseite