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Politik: Eisiger Wind aus Brüssel

Kroatien bangt um den Termin für Beitrittsgespräche

Kroatien zittert. Eine klirrende Kälte mit Temperaturen weit unter dem Gefrierpunkt hat das Land im Griff. Doch schlimmere Folgen für Kroatien könnte ein Wind haben, der derzeit kräftig aus Brüssel bläst. Nach mehreren Warnschüssen hat die EU jetzt klar gemacht, dass der Beginn der Beitrittsverhandlungen am 17. März nur dann in Frage kommt, wenn die konservative Regierung Kroatiens ihre volle Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag unter Beweis stellt. EU-Erweiterungskommissar Olli Rehn bekräftigte am Mittwoch in Berlin: „Kroatien kooperiert nicht ausreichend mit Den Haag. Damit ist der Termin für die Aufnahme der Verhandlungen akut gefährdet.“ Hintergrund ist der Vorwurf aus Den Haag, die Führung in Zagreb schütze einen gesuchten Kriegsverbrecher, den kroatischen Ex-General Ante Gotovina. Brüssel hat die Überstellung Gotovinas zur Voraussetzung für Beitrittsverhandlungen gemacht.

Die UN-Chefanklägerin Carla del Ponte macht Gotovina für die Ermordung von 150 und die Vertreibung von 150000 Serben bei der Rückeroberung der serbisch beherrschten Gebiete im Sommer 1995 verantwortlich.

Regierungschef Ivo Sanader, der beteuert, die Regierung wisse nicht, wo sich Gotovina aufhalte, schlägt Alarm: „Die Verschiebung der Beitrittsverhandlungen wird nur den radikalen Kräften nutzen“. Gegner des Beitritts wettern bereits, Brüssel werde künftig sogar die kroatischen Fischfangquoten festlegen. In Umfragen sprechen sich zudem mehr als 90 Prozent der Kroaten gegen die Auslieferung des mutmaßlichen Kriegsverbrechers aus.

Sanader befindet sich in einer ungemütlichen Lage. Als Oppositionsführer fand er oft Worte der Anerkennung für Gotovina und bezeichnete ihn als Helden, um sich die Stimmen der Nationalisten zu sichern. Nach dem Wahlsieg im Herbst 2003 war er als Premier sichtlich bemüht, seiner Kroatischen Demokratischen Gemeinschaft (HDZ) das Image einer christlich-konservativen Partei zu verpassen. Die berüchtigte Herzegowina-Lobby, die unter Tudjman den Staat plünderte, ist in der HDZ deutlich geschwächt.

Doch die alten Seilschaften funktionieren offenbar noch. Für Carla del Ponte besteht kein Zweifel, dass Gotovina von einem „hochrangigen Netzwerk“ in Kroatien gedeckt wird. Gotovinas Freunde säßen zwar nicht in der Regierung. In der Polizei, in der Armee und in Geheimdienstkreisen gebe es aber mächtige Strukturen, die kein Interesse hätten, ihn zu fassen.

Die Aussichten, dass Gotovina bis zum 17. März gefasst wird, sind gering. Der General hat noch immer glühende Anhänger in Kroatien und unter den Kroaten Bosniens, die überwiegend in der Herzegovina leben. Für viele seiner Landsleute ist der 50-Jährige ein Held des „vaterländischen Krieges“ gegen die serbischen Aggressoren. Rechtsnationalistische Kriegsveteranen drohen sogar mit der Bildung einer paramilitärischen Einheit, um den flüchtigen Verbrecher zu schützen.

Für die EU steht aber nichts weniger auf dem Spiel als die Glaubwürdigkeit ihrer Politik gegenüber der ganzen Region. Drückt sie in der Causa Gotovina ein Auge zu, könnten auch das Nachbarland Serbien und die bosnisch-serbische Teilrepublik ähnliche Deals für die flüchtigen Kriegstreiber Radovan Karadzic und Ratko Mladic fordern.

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