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Politik: Eiszeit zwischen alten Freunden

Israels Premier ist in Paris derzeit „nicht willkommen“ – wegen seines Auswanderungsappells an Juden

Ob Ariel Scharon die Absicht hatte, demnächst nach Frankreich zu kommen, ist unbekannt. Schon über drei Jahre ist es her, dass der israelische Premierminister Paris besuchte. Noch Anfang dieses Jahres – anlässlich des Staatsbesuchs von Israels Präsident Mosche Katzav – hatten beide Länder die Hoffnung geäußert, dass sich ihre Beziehungen verbessern würden. Daraus dürfte zunächst nichts werden, nachdem Frankreichs Staatspräsident Jacques Chirac am Montag erklärt hatte, Scharon sei vorerst in Frankreich „nicht willkommen“.

Chirac reagierte damit auf eine Rede Scharons, in der er die französischen Juden angesichts eines angeblich entfesselten Antisemitismus zur sofortigen Auswanderung nach Israel aufgefordert hatte. Die jüdische Gemeinde Frankreichs ist die größte in Europa. Chirac verlangte am Dienstag öffentlich eine Erklärung des israelischen Regierungschefs. „Frankreich hat wissen lassen, dass ein eventueller Besuch des israelischen Premierministers, für den noch kein Termin feststeht, erst geprüft wird, wenn diese Erklärung vorliegt“, teilte eine Sprecherin Chiracs mit. Frankreichs Außenminister Michel Barnier bezeichnete die Kontroverse als ein „ernstes Missverständnis“. Das ist zwar mehr als die Entschuldigung des israelischen Regierungssprechers, der Scharon „falsch verstanden“ sah, aber weniger als der harte Ton aus dem Elysee-Palast.

Eigentlich verbindet die Staaten eine alte Freundschaft, die im Februar beim Staatsbesuch Katzavs auch mit allen erdenklichen Ehrungen für den Gast zum Ausdruck kam. In Israels Aufbaujahren half Frankreich aktiv. Militär und Geheimdienste beider Länder arbeiteten eng zusammen. Doch die Kooperation nahm Schaden, als Präsident de Gaulle nach dem Sechs-Tage-Krieg 1967 gegen Ägypten, Syrien und Jordanien die Israelis als „elitär, selbstgefällig und dominierend“ bezeichnete und bereits bezahlte Waffenlieferungen stoppte. Seitdem gilt Frankreichs politische Klasse in Israel als araberfreundlich.

Präsident Mitterrand suchte dieses Bild nach seinem Amtsantritt 1981 zu korrigieren. Doch unter seinem Nachfolger Chirac kühlten die Beziehungen erneut ab. Der Einsatz Frankreichs für eine friedliche Lösung des Nahost-Konflikts, die Israels Sicherheit garantieren und den Palästinensern eine Zukunft in einem eigenen Staat ermöglichen soll, wird nicht nur in israelischen Regierungskreisen als einseitige Parteinahme für die Palästinenser interpretiert. Zudem hat Chirac Scharons Politik immer wieder kritisiert, sowohl die Isolation von Palästinenserführer Jassir Arafat als auch den Bau des Sperrzauns zu den Palästinensergebieten. Außenminister Barnier, der vor wenigen Tagen bei seiner Nahostreise auf einem Treffen mit Arafat bestanden hatte, war daraufhin von Scharon nicht mehr empfangen worden.

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