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EKD: Käßmanns-Rücktritt: Ratlos vor der großen Lücke

Nach Margot Käßmanns Rücktritt sucht die evangelische Kirche eine überzeugende Nachfolgeregelung.

Der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) wird es schwerfallen, Margot Käßmann zu ersetzen. „Wir haben ein großes Problem“, sagte der badische Landesbischof Ulrich Fischer am Donnerstag. „Wir werden im Rat der EKD sehr viel nachdenken müssen, wie es weitergeht“. Ihre Geradlinigkeit und ihr Verantwortungsbewusstsein, die sie zu ihrem Rücktritt bewogen haben, hätten noch einmal deutlich gemacht, was dem deutschen Protestantismus verloren gehe. Fischer ist eines der 13 Mitglieder des höchsten Leitungsgremiums der EKD. Bei der Ratswahl vergangenen Oktober hätten alle auf eine Karte gesetzt: Margot Käßmann. Das zeigte auch das Wahlergebnis. Die Hannover’sche Landesbischöfin wurde im ersten Wahlgang mit überwältigender Mehrheit gewählt.

Im zweiten Wahlgang folgte ihr Nikolaus Schneider, der Präses der rheinischen Landeskirchen. Er wurde ihr Stellvertreter, ganz so, wie es wohl damals seinem Wunsch entsprach, denn Schneider hatte in seiner Bewerbungsrede durchblicken lassen, dass er nicht Vorsitzender werden wollte – auch weil er sich mehr seiner Familie widmen wollte. Die anderen Bischöfe, etwa aus Bayern, Baden-Württemberg, Sachsen, Kurhessen-Waldeck, die sich beworben hatten, landeten abgeschlagen auf hinteren Plätzen oder wurden gar nicht gewählt.

Deshalb ist es schwer vorstellbar, dass Margot Käßmann zu ihrem Rücktritt gezwungen worden ist. In der Telefonkonferenz am Dienstagabend hatten die 13 Mitglieder des Rates der EKD, dem obersten Leitungsgremium, eine Stunde lang mit Käßmann gemeinsam abgewogen, welche Chancen und Risiken ein Verbleib im Amt mit sich bringen würde. Einige der 13 Ratsmitglieder plädierten für ihren Rücktritt, die Mehrheit war fürs Weitermachen. Auch im Kirchenamt hatte man ihr geraten zu bleiben, ihr aber auch vor Augen geführt, dass sie nach der Alkoholfahrt angeschlagen und das Amt beschädigt sei und dass es wohl sehr lange dauern würde, bis das Vertrauen der Öffentlichkeit wiederhergestellt wäre. Die letzte Entscheidung hatte man ihr überlassen.

Nach Käßmanns Rücktritt will man nun aber tunlichst den Eindruck der Handlungsunfähigkeit vermeiden. „Einen solchen Rücktritt gab es zwar noch nie in der Geschichte der EKD“, sagte Nikolaus Schneider am Donnerstag, „aber wir wollen die Situation nicht dramatisieren“. Schneider, der Präses der Rheinischen Landeskirche, hat jetzt die kommissarische Leitung des Rates der EKD übernommen. Für wie lange, ist noch nicht klar. Vom heutigen Freitag bis zum Sonntag wird sich der Rat im bayerischen Tutzing treffen. Dort will man besprechen, wie es weitergehen soll. Zum Beispiel ob man eine vorzeitige Tagung der Synode für die Wahl von Käßmanns Stellvertreter einberufen oder bis zur regulären Synode im November warten soll. Bei der Frage, wie lange die Zwischenlösung mit Präses Schneider dauern soll, ist man sich offenbar noch uneinig. Die einen sind dafür, schnell einen endgültigen Nachfolger zu finden, weil sie fürchten, dass die EKD eine „lahme Ente“ werden könnte und öffentlich an Wirksamkeit verlieren könnten. Andere sehen die Vertretung der rund 25 Millionen Protestanten gerade in dieser Hinsicht bei Nikolaus Schneider gut aufgehoben, auch über die nächsten Monate hinaus.

So wird wohl auch diskutiert, ob Schneider den Ratsvorsitz vielleicht gar zwei, drei Jahre weiterführt, um mehr Zeit für die Suche nach einem Nachfolger für Käßmann zu haben. Ob er dazu bereit wäre, wollte Schneider am Donnerstag nicht sagen. Er stelle sich die Frage auch, aber momentan habe er noch keine Antwort darauf: „Was passiert ist, hat uns alle ja sehr überrascht, darauf waren wir nicht vorbereitet.“ Die 51-jährige Käßmann war Ende Oktober für sechs Jahre als Nachfolgerin des früheren Berliner Bischofs Wolfgang Huber gewählt worden.

Klar ist, dass sich die Haltung der EKD zu politischen Themen mit Schneider an der Spitze in der kommenden Zeit nicht grundsätzlich ändern wird. In der Afghanistandebatte hatte er Käßmann mit leichten Nuancen den Rücken gestärkt. Auch in sozialen Fragen ist er sich mit Käßmann einig: „Das Evangelium, der Glaube und ein leerer Magen vertragen sich nicht“, sagt Schneider. Er ist in einer Arbeiterfamilie in Duisburg aufgewachsen, sein Vater war Hochofenmeister. Als Gemeindepfarrer machte Schneider 1982 auf sich aufmerksam, als er bei der ersten großen Krise der Stahlkocher in Rheinhausen für den Erhalt ihres Werks demonstrierte. Später begleitete er den Kampf der rheinischen Stahlarbeiter um ihre Existenz. Kirchenpolitisch – dort gehört Schneider zum Mainstream – hatte seine Stimme schon immer Gewicht. Nicht zuletzt weil die rheinische Kirche mit 2,9 Millionen Mitgliedern die zweitgrößte evangelische Landeskirche ist nach der Hannover’schen. In der wird der Lüneburger Landessuperintendent Hans-Hermann Jantzen vorläufig die Amtsgeschäfte von Käßmann übernehmen.

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