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Frank-Walter Steinmeier überreicht Angela Merkel den Orden. Daneben stehen ihr Ehemann Joachim Sauer (rechts) und Steinmeiers Ehefrau Elke Büdenbender (links).

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Update

Höchster Verdienstorden für Merkel: Ein Familientreffen der besonderen Art

Der Bundespräsident hat Ex-Kanzlerin Angela Merkel mit einem besonderen Orden ausgezeichnet. Merkel wirkte dabei fast verlegen.

Es ist ein Familientreffen der besonderen Art. Thomas de Maizière, Steffen Seibert, Annette Schavan, Ulrich Matthes, Jürgen Klinsmann nehmen am Montagabend Platz im Schloss Bellevue. Es betreten Menschen den Saal, die man schon lange nicht gesehen, vielleicht gar vergessen hat, der einstige DDR-Bürgerrechtler Rainer Eppelmann etwa oder Ronald Pofalla, früher Chef des Bundeskanzleramtes.

Ein paar Minuten später betreten die Hauptpersonen den Raum: Sie kennen sich faktisch ewig. Sie wissen um die Stärken und Schwächen des jeweils anderen. Sie waren mal Partner, mal Konkurrenten, mal parallel beides. Immer wieder kreuzten sich ihre Wege: Angela Merkel und Frank-Walter Steinmeier.

Merkel ist mit ihrem Ehemann Joachim Sauer gekommen. Sie folgt einer Einladung des Bundespräsidenten, der sie mit dem höchstmöglichen deutschen Orden auszeichnen wird: dem Bundesverdienstkreuz, dem „Großkreuz“ in besonderer Ausführung. Diese Ehrung haben bisher nur zwei Kanzler erhalten, Konrad Adenauer und Helmut Kohl. „Ein Ausnahmeorden“ sei das, sagt Steinmeier.

Steinmeier und Merkel stehen während der Ehrung nebeneinander. Merkel wirkt fast verlegen, während Steinmeier redet, formt dann wieder ihre Merkel-Raute. Handschlag. Posieren für die vielen Kameras. Später noch einmal, mit Ehepartnern. Sogar Joachim Sauer lächelt.

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Zuvor würdigt Steinmeier Merkel als erfahrene, unprätentiöse Regierungschefin, die „die wichtigste politische Währung, das Vertrauen“ so sehr genoss: „Jede Eitelkeit, jede Schmeichelei, jedes Getue um sie selbst waren ihr zuwider.“ Er verweist auf Merkels ostdeutsche Herkunft, ihren Mut, 1989, „ins Ungewisse, ins Offene zu gehen“. Die Ehrung zielt auch auf den Umstand, dass Merkel als erste Bürgerin aus dem Osten und als erste Frau ins Kanzleramt gewählt worden ist.

Jede Eitelkeit, jede Schmeichelei, jedes Getue um sie selbst waren ihr zuwider.

Bundespräsident Steinmeier über die ehemalige Kanzlerin Angela Merkel

Ehrgeiz, Selbstdisziplin und scheinbar grenzenlose Belastbarkeit – mit diesen Eigenschaften beschreibt Steinmeier Merkel: „Wer enger mit Ihnen zu tun hatte oder gemeinsam mit Ihnen im Kabinett saß, konnte Sie gar nicht unterschätzen.“ Da spricht Steinmeier von sich selbst, verweist dann auf den Wahlkampf 2009, wo er sich als SPD-Kanzlerkandidat erfolglos an Merkel abarbeitete. Das „Schlachtengeschrei, der schwere Säbel, das Kampfgetümmel in der Arena“ sei Merkel fremd gewesen, sagt Steinmeier.

„Ausnahmesituationen und Krisen“ benennt Steinmeier als die Herausforderungen Merkels, die ja nie eine programmatische Politikerin mit inhaltlicher Ambition war (was Steinmeier seinerzeit ärgerte, was er heute aber unerwähnt lässt). Er hält, natürlich, eine freundliche Rede.

Bankenkrise, Eurokrise, Pandemie hätten Merkels Amtszeit geprägt

Bankenkrise, Eurokrise, Pandemie hätten Merkels Amtszeit geprägt. Drei herausragende Fähigkeiten macht Steinmeier aus: Merkels Beharren auf Fakten, die Kunst des Verhandelns und die Fähigkeit zum Kompromiss. Die „Selbstkorrektur“ als hohes Gut der Demokratie beschwört Steinmeier ebenfalls - auch wenn Merkel bis heute keinerlei Fehleinschätzungen in ihrer Russland- und Energiepolitik zugegeben hat.

„Die Sachlage“, so leitet Steinmeier nach einer guten Viertelstunde Rede sein Kapitel zu Russland ein, „hat sich auch verändert bei einer der damals und heute größten politischen Herausforderungen – den Beziehungen zu Russland“.

Er würdigt Merkels Einsatz im Minsk-Prozess, ohne indes den Begriff Minsk zu verwenden. Nicht nur hier verteidigt Steinmeier auch Steinmeier - das diesen Auftritt und die Ordensverleihung für manchen schwierig erscheinen lässt. Lobt und entlastet der ehemalige Außenminister Steinmeier mit seinen Worten nicht nur Merkel, sondern auch sich selbst?

Angela Merkel hält bei der Verleihung eine kurze Rede.
Angela Merkel hält bei der Verleihung eine kurze Rede.

© AFP/JOHN MACDOUGALL

Man müsse Lehren aus dem Krieg ziehen, sagt Steinmeier, und verbreitet deutsches Selbstlob. „Mit großer Entschlossenheit“ unterstütze Deutschland die Ukraine, sagt Steinmeier: „Als größter Unterstützer der Ukraine innerhalb der EU“. Was sollte man sonst erwarten vom, bei weitem, wirtschaftsstärksten EU-Mitglied?

Steinmeier würdigt das, was er stets im Umgang mit Wladimir Putin gepredigt hatte: „Gesprächskanäle auch zu schwierigen Partnern offenzuhalten und nicht auf den Gesichtsverlust des Gegenübers zu setzen“. Vor-Zeitenwende-Rhetorik.

Ausgiebig redet Steinmeier über die diversen Krisen, bevor er sich der Flüchtlingspolitik Merkels 2015 zuwendet. Er zitiert Merkels Diktum „Wir schaffen das“ und relativiert die Darstellung, Merkel durchdringe alles „vom Ende her“, indem er sagt: „Die Dimensionen der Fluchtbewegung aber, die konnte niemand vorhersehen, das konnten auch Sie nicht vom Ende her denken.“

Am Ende spricht Merkel kurz, klingt etwas verschnupft, aber nur wörtlich. Sie wolle „nur Danke sagen, dass ich hier sein darf“, sagt sie. Sie erwähnt die Anwesenheit von Olaf Scholz. „Ich erinnere mich vage, dass Zeit ein knappes Gut ist“, sagt sie über dessen Amt.

Franz Müntefering und Beate Baumann seien krankheitsbedingt verhindert, sagt Merkel. Müntefering, ihr erster Vizekanzler, erzählt sie noch, habe drei Tage vor ihrer Wahl zur Kanzlerin, als sie einen flauen Magen bekommen habe, ihr prophezeit: Das wird schon. „Das hat mir geholfen“, sagt Merkel. Kurz darauf zieht sich das Familientreffen zum nicht-öffentlichen Abendessen zurück.

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