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Elektromobilität: Schnell nachladen

Die Bundesregierung hält an ihrem Ziel fest, bis 2020 in Deutschland eine Million Elektroautos auf die Straße zu bringen. Doch angesichts der geringen Absatzzahlen wachsen die Zweifel an diesem Vorhaben. Was tut jetzt not?

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Es ist ein ehrgeiziges Vorhaben – im Jahr 2020 soll Deutschland nach dem Willen der schwarz-gelben Bundesregierung weltweiter Leitmarkt für Elektromobilität sein. Doch Fortschritte lassen auf sich warten, der Absatz von Elektroautos will nicht recht anlaufen. Die Stimmen derer mehren sich, die sagen: So, wie man das angeht, wird es nie etwas.

Wie will die Bundesregierung die E-Mobilität forcieren?

Um die Nachfrage nach umweltschonenden Fahrzeugen anzukurbeln, will Merkel an Steuerentlastungen festhalten. Elektroautos sollen für zehn Jahre komplett von der Kfz-Steuer befreit, die Abgaben für Dienstwagen so geändert werden, dass die teureren elektrischen Fahrzeuge keinen Nachteil gegenüber anderen haben. Ein entsprechender Gesetzentwurf liege dem Bundestag bereits vor und werde noch dieses Jahr beschlossen, sagte Merkel am Montag beim Spitzentreffen in Berlin.

Bis 2013 soll zudem eine Milliarde Euro in die Forschungsförderung von Batterietechnik fließen. Merkel kommt damit einer Forderung der Autobranche entgegen. Das Geld für 2012 und 2013 sollte eigentlich aus dem Klimafonds kommen, der wiederum aus dem Verkauf der Kohlendioxid-Verschmutzungsrechte gefüllt werden sollte. Da die Preise hier aber weit unter den Erwartungen geblieben sind, waren Zweifel aufgekommen, ob das Geld wie geplant fließen könne.

Die Regierung finanziert zudem vier Pilotprojekte mit 180 Millionen Euro, in denen zum Ende des Jahres jeweils 7000 Elektrofahrzeuge auf die Straße geschickt werden. Wo sie Strom tranken können, welchen Untergrund sie brauchen, welche Nachfrage herrscht: Unter anderem diese Fragen sollen in den sogenannten regionalen „Schaufenstern“ – unter anderem in Berlin –, exemplarisch beantwortet werden, um für die weitere Entwicklung in ganz Deutschland Rückschlüsse ziehen zu können, sagte Verkehrsminister Peter Ramsauer (CSU).

Warum geht es so schleppend voran?

Deutschland setzt bei der Erforschung, Entwicklung und Markteinführung der Elektromobilität auf einen „systemischen Ansatz“, der alle Branchen und Disziplinen einbezieht – nicht nur die Autoindustrie. Als Industrie- und Forschungsstandort mit einem starken Mittelstand, in dem es zahlreiche Zulieferfirmen gibt, macht dieser Ansatz Sinn. Aber er kostet Zeit. So plant die Nationale Plattform (NPE) mit langfristigen Entwicklungsphasen: Marktvorbereitung bis Ende 2014, Markthochlauf bis Ende 2017 und Massenmarkt bis 2020. Auch ist die Frage des Aufbaus einer Ladesäulen-Infrastruktur nicht trivial. Da es keine Geschäftsmodelle dafür gibt, muss der Staat in Vorleistung gehen. Auch die ausreichende Bereitstellung von Strom aus erneuerbaren Quellen muss gewährleistet sein – nur dann macht Elektromobilität Sinn.

Kritiker der Industrie bemängeln freilich, dass die deutschen Autohersteller die Elektromobilität verschlafen haben. So dominiert etwa der japanische Hersteller Toyota den Markt für Hybridfahrzeuge, in denen Elektro- und Verbrennungsmotoren kombiniert werden – auch wegen der massiven staatlichen Förderung in der Startphase. Audi, BMW, Mercedes und Porsche verdienen nach wie vor ihr Geld mit herkömmlichen Fahrzeugen – vor allem auf dem asiatischen und amerikanischen Markt. Die NPE hatte in ihrem Fortschrittsbericht im Juni davor gewarnt, dass ohne zusätzliche Förderung bis 2020 höchstens 600 000 Elektromobile auf den Straßen sein werden. Merkel sagte am Montag zu dieser Zahl, diese werde bis 2020 sicher erreicht – „und der Rest wird erarbeitet“. In die Zählung eingehen sollen auch Hybridfahrzeuge, die Elektromotoren mit Benzinantrieben kombinieren, sofern der Elektroanteil größer ist.

Welche Anreize wären hierzulande nötig?

Während sich in der Industrie die Stimmen mehren, die eine direkte Prämie für die Käufer eines E-Autos fordern, lehnt die Bundesregierung eine solche Subventionierung ab. Dabei hatte sie bislang wohl auch die Interessen der deutschen Autoindustrie im Blick, die noch keine eigenen E-Autos in nennenswerter Stückzahl auf den Markt gebracht hat. Profitieren würden von einer Prämie vor allem ausländische Marken wie Renault oder Mitsubishi. „Wir werden keine kurzfristige Prämie ankündigen für einen Markt, der noch gar nicht vorhanden ist“, sagte Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) am Dienstag. „Die Marktgestaltung kann man sich schließlich nicht durch Prämien kaufen.“. Merkel allerdings schloss nicht aus, dass Kaufanreize in Form von Prämien, wie sie in Frankreich oder in den USA üblich sind, in einer nächsten Legislaturperiode denkbar seien.

Der ökologische Verkehrsclub VCD hält eine Kaufprämie aus einem anderen Grund für überflüssig: „Kaufanreize für E-Autos lösen nicht das Grundproblem“, teilte der Verein am Montag mit. „Wenn Kaufförderung Sinn machen soll, dann nur technikneutral, das heißt für alle Fahrzeuge die energieeffizient sind – egal welchen Antrieb sie haben“, sagte Gerd Lottsiepen, verkehrspolitischer Sprecher des VCD. „Das Entscheidende ist nicht, wann wir eine Million Elektroautos auf die Straßen bekommen, sondern dass alle Autos den Kraftstoffverbrauch und CO2-Ausstoß deutlich senken.“

Auch Ferdinand Dudenhöffer vom Center Automotive Research der Universität Duisburg-Essen hält nichts von Prämien. Die Leute hätten die Nachteile der Elektroautos im Kopf: hoher Preis, geringe Reichweite, zu wenig Ladestationen. „Wenn sie denen 5000 Euro Prämie anbieten, überzeugt das diese Leute nicht.“ Nötig seien „Car-Sharing-Systeme ausschließlich mit Elektroautos in Metropolen wie Berlin, im Ruhrgebiet, in München, in Hamburg zu günstigen Preisen. Nur so können sie die Menschen überzeugen.“ Wenn so weitergemacht werde wie wie bisher, werde man nicht einmal zehn Prozent des Ziels bis 2020 erreichen, eine Million Elektroautos in Deutschland auf die Straße zu bringen.

Ist die Elektromobilität in Deutschland gescheitert?

Zumindest die Kanzlerin hält das angestrebte Ziel noch für erreichbar. „Natürlich gibt es noch einige Probleme zu bewältigen“, gab Merkel zu. „Aber es wäre falsch, dieses Ziel jetzt aufzugeben, weil vor uns noch Jahre Arbeit liegen.“

Autoexperte Dudenhöffer sieht vor allem ein selbstgemachtes Problem der Bundesregierung: „Wenn man dieses Konzept wirklich umsetzen will, braucht man nicht vier Ministerien. Da kommt man nicht auf einen gemeinsamen Nenner. Einer müsste verantwortlich sein, und der müsste viel Geld kriegen – mehr als das, was bisher mit der Gießkanne ausgegeben wurde. Und man müsste sofort anfangen, den Car-Sharern zu ermöglichen, Elektroautos kostengünstig anzubieten.“

Dudenhöffer sorgt sich vor allem um den weiteren technischen Fortschritt: „Wenn wir jetzt das Elektroauto beerdigen, wird es sehr schwer, später weitergehende Technologien wie die Brennstoffzellentechnik wieder zu beleben.“ Die Autobauer haben seinen Schätzungen zufolge mindestens fünf Milliarden Euro in Elektroautos investiert. „Wenn diese Fahrzeuge jetzt alle ins Museum gehen, werden die Hersteller sehr schwer zu überzeugen sein, noch einmal anzufangen.“

Die Autoindustrie jedenfalls ist überzeugt: „Die Elektromobilität wird kommen, die Frage ist nur, wo und wann sie den Durchbruch schafft“, so der Präsident des Autoverbandes Matthias Wissmann. Die Grünen halten gar das Regierungsziel für „unterambitioniert“. Parteichef Cem Özdemir sagte, angestrebt werden sollten bis 2020 zwei Millionen Elektroautos auf den Straßen. Die staatlichen Investitionen von 500 Millionen Euro seien „nicht ausreichend“. Er forderte für Fahrzeuge, die einen Kohlendioxod-Ausstoß von unter 60 Gramm haben, eine Anschubfinanzierung von 5000 Euro.

Für die Hersteller geht es nicht nur um ein Prestigeprojekt. Bis 2020 dürfen Neuwagenflotten in Europa im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO2 ausstoßen – sonst werden empfindliche Strafen fällig. Ohne Elektroautos im Programm ist dieser Wert schwer zu erreichen. (mit sib)

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