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Politik: Empfangen wie ein Staatschef

Das neue russische Machtduo knüpft beim Besuch Steinmeiers an die Ära Schröder an

Der Tross aus Vertretern der Wirtschaft und Medien, der Frank-Walter Steinmeier bei dessen sechstägigem Russlandbesuch begleitet hat, war erheblich umfangreicher als der, mit dem Bundeskanzlerin Angela Merkel gewöhnlich nach Moskau jettet. Auch die Gastgeber hatten für den deutschen Außenminister ein Programm wie für einen Staatschef zusammengestellt: Begegnungen mit den Gouverneuren in Jekaterinburg im Ural und in St. Petersburg, Treffen mit Unternehmern beider Regionen, Besichtigung gemeinsamer deutsch-russischer Wirtschaftsprojekte. Für einen Diplomaten eher ungewöhnlich. Ungewöhnlich auch, dass Steinmeier nicht nur mit seinem Amtskollegen Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow, sondern auch mit Russlands neuer Doppelspitze zu Gesprächen zusammentraf. Eine Ehre, die bei weitem nicht jedem europäischen Außenminister zuteilwird. Höchstens Condoleezza Rice als Repräsentantin einer Supermacht, den USA.

Dass dennoch sowohl Präsident Dmitri Medwedew als auch Premier Wladimir Putin sich für den Gast aus Deutschland viel Zeit nahmen, spricht für den besonderen Charakter der Beziehungen und war nach Ansicht von politischen Beobachtern von russischer Seite auch als vorweggenommene Wahlkampfhilfe für den SPD-Politiker gedacht. Der Kreml würde gern wieder einen Genossen als Kanzler sehen. Denn die Zeiten von Altkanzler Gerhard Schröder und dessen eher unkritischer, prorussischer Außenpolitik sind Putin und dessen Paladinen noch frisch in Erinnerung.

Eben diese Außenpolitik wurde vor allem im Kanzleramt gemacht. Dessen Leiter war damals Steinmeier. Und Medwedew als Chef der Kreml-Administration sein direkter Partner. Das erleichterte auch Steinmeiers eigentliche Mission in Russland. Denn er ist der erste westliche Politiker von Rang, der sich vor Ort ein eigenes Bild von der neuen Konfiguration der Macht und der real praktizierten Teilung der Kompetenzen zwischen Präsident und Premier machen konnte. Auf seinen Bericht dürften daher auch die Verbündeten jenseits des Atlantiks mit einiger Spannung warten.

Gegenwärtig deutet alles darauf hin, dass sich der außenpolitische Kurs Medwedews von dem seines Amtsvorgängers, wenn überhaupt, nur in Nuancen unterscheidet. Bei dem Gespräch mit Steinmeier kündigte er an, sein erster Europabesuch werde ihn Anfang Juni nach Deutschland führen. Dort wolle er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über weitere Möglichkeiten zur Vertiefung der bilateralen Beziehungen sprechen. „Die Wirtschaftsbeziehungen“, so Medwedew gleich beim ersten Händeschütteln, seien in einem „glänzenden Zustand“. Es gebe aber noch mehr Möglichkeiten für die Zusammenarbeit.

Steinmeier, der Medwedew „Energie, Schaffenskraft und Fortune, die man für ein solches Amt braucht“, wünschte, sah das ähnlich: Die Qualität der Beziehungen dürfe sich nicht nur auf die Wirtschaft beschränken. Schon bei seiner Rede in der Ural-Universität in Jekaterinburg hatte er daher für mehr Demokratie und Rechtsstaatlichkeit geworben. Die Modernisierung des Landes könne durch eine „lebendige Zivilgesellschaft“, ein „lebendiges Unternehmertum“ und eine „Öffentlichkeit, in der unterschiedliche Meinungen frei miteinander ringen“, gefördert werden.

Menschenrechtsgruppen wie Human Rights Watch hatten von Steinmeier vor Besuchsbeginn gefordert, Kreml und Regierung zur Beendigung ihres restriktiven Vorgehens gegen Nichtregierungsorganisationen zu drängen. Am Freitag traf er auch mit Regimekritikern wie Garri Kasparow und der neoliberalen Oppositionspartei Union der Rechten Kräfte zusammen.

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