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Politik: Empörung über Gysis NS-Vergleich

Fraktionschef der Linkspartei: Einen Ex-Nazi hätte der Bundestag gewählt

Berlin - Linkspartei-Fraktionschef Gregor Gysi hat mit seinen Äußerungen zum Scheitern von Parteichef Lothar Bisky bei der Wahl zum Bundestagsvizepräsidenten parteiübergreifend für Empörung gesorgt. Führende Sozialdemokraten verlangten eine Entschuldigung. Dies lehnte die Linkspartei ab. „Dafür gibt es keinen Grund“, sagte Linkspartei-Sprecher Hendrik Thalheim.

Gysi hatte nach dem erneuten Scheitern Biskys heftige Vorwürfe an die Fraktionen gerichtet.Wörtlich sagte er unter anderem: „Ich weiß, dass die Biographie von Lothar Bisky auch Schwächen hat. Die erste Schwäche besteht darin: Er hat in der Jugend nicht ,Mein Kampf’ von Adolf Hitler gelesen und war davon auch nicht begeistert.“ Hätte Bisky darüber hinaus im NS-Propagandaministerium gearbeitet oder andere Voraussetzungen erfüllt wie Altbundeskanzler Kurt Georg Kiesinger (CDU), dann wäre er von Union und FDP gewählt worden.

Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) forderte eine Entschuldigung Gysis. Der Linkspartei-Politiker stelle alle „ihm nicht genehmen Abgeordneten unter Generalverdacht“. Mit solch „unsäglichen historischen“ Vergleichen wolle die Linkspartei offenbar davon ablenken, eine demokratische Wahl verloren zu haben, sagte die SPD-Politikerin. Kritik an Gysi übte auch der Sprecher der ostdeutschen SPD-Abgeordneten, Stefan Hilsberg. „Gysi stellt alle, die seinen Freund Bisky nicht gewählt haben, in die faschistische Ecke. Dafür muss er sich entschuldigen“, sagte der SPD-Politiker. FDP-Fraktionschef Wolfgang Gerhardt sagte, die Äußerungen Gysis seien „nicht zu entschuldigen und entsprechen auch nicht dem Umgangsstil des Bundestages“. Gysi habe in maßloser Weise Kolleginnen und Kollegen beschimpft, „die nichts anderes getan haben als von ihrem Recht auf freie Wahl Gebrauch zu machen“, sagte der FDP-Politiker dem Tagesspiegel.

Grünen-Chefin Claudia Roth sagte, es sei „eine Unverschämtheit, Abgeordnete, die Bisky nicht gewählt haben, mit dem Nationalsozialismus in Verbindung zu bringen“. Mit seinen billigen antifaschistischen Parolen habe Gysi auch dem Anliegen geschadet, sich ernsthaft mit der NS-Vergangenheit auseinander zu setzen. Der parlamentarische Geschäftsführer der CSU Peter Ramsauer sprach von einer „absoluten Unverschämtheit“. Aus Gysis Äußerungen spreche „blanke Intoleranz und Respektlosigkeit gegenüber der Unabhängigkeit jedes Abgeordneten“.

Der WASG-Bundesvorsitzende Klaus Ernst nahm Gysi dagegen in Schutz. Die Union stehe „nicht in einer Tradition, dass sie die Moralkeule schwingen darf“, sagte er. Früher habe die Union keine Probleme damit gehabt, Leute mit rechtsradikaler Vergangenheit zu wählen, bekräftigte Ernst. Nach der Niederlage Biskys will die Linkspartei zunächst keinen neuen Kandidaten nominieren. Das Bundestagspräsidium bleibt damit unvollständig, ist aber nach Angaben der Bundestagsverwaltung „arbeitsfähig“. Bisky hatte bei der Wahl am Dienstag die einfache Mehrheit verfehlt.

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