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Kerzen zum Gedenken der Opfer der Massenpanik auf der Loveparade 2010.

© imago images/imagebroker

Ende des Loveparade-Prozesses: Gerechtigkeit kann es auch ohne Urteil geben

Es gab Aufklärung, und Verantwortliche wurden benannt. Das Strafverfahren hat erreicht, was es bei Aufarbeitung eines Unglücks erreichen konnte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Verständnis kann man hier wohl keines erwarten. Mit Beschluss vom heutigen Tag stellt das Landgericht Duisburg den Prozess um das Loveparade-Unglück ein. Nach einer Katastrophe mit 21 Toten und Hunderten Verletzten, nach zehn Jahren, nach einem der aufwändigsten Strafverfahren, die je in der Bundesrepublik geführt wurden. Eine Enttäuschung.

Wirklich?

Dass nun nach dem tödlichen Versagen der Loveparade-Veranstalter vielfach ein zweites, ein juristisches Versagen festgestellt wird, lenkt den Blick ab von dem, was der Prozess eigentlich erbracht hat: Eine umfassende Aufarbeitung eines unfassbaren Geschehens.

Verantwortliche haben Risiken kleingeredet, die entstehen müssen, wenn Tausende durch enge Tunnel und Rampen geschleust werden. Ohne Möglichkeit zu entkommen. Ein Szenario der Hasardeure. Nicht alle saßen auf der Anklagebank. Aber alle, die beteiligt waren, kennen ihre Schuld.

Vor Gericht standen keine Mörder

Deren Anteile proportionsgerecht in ein strafrechtliches Verfahren zu überführen, ist angesichts des Zeitablaufs, der Massendynamik, der vielen Fehler und Störungen, die es gegeben hat, ein weit komplexeres Unterfangen, als es die ersten Reflexe nahelegen. Dass es nicht gelang, heißt nicht, dass jemand versagt hat.

Obwohl individuelle Schuld in offenbar kleinster Dosis nach Ansicht des Gerichts noch nachweisbar wäre, drohen wegen Corona weitere Verzögerungen und in Bälde die Verjährung.

So geht es im Rechtsstaat, und das ist zu akzeptieren. Vor Gericht standen keine Mörder und Totschläger, sondern Menschen, die vermutlich viel dafür geben würden, könnten sie das Unglück ungeschehen machen.

Das wird bei dem angeklagten Delikt der fahrlässigen Tötung oft übersehen. Menschen sterben, und trotzdem kann die Schuld derer, die dies verursacht oder auch nur mitverursacht haben, äußerst gering sein. Kann es da nicht auch einen gnädigen Blick auf die mutmaßlichen Täter geben? Wo liegt aktuell noch der Sinn der Sühne?

Es bleibt Trauer und das Wundern über Leichtsinn

Dieser Strafprozess findet, trotz allem, ein gerechtes Ende. Er hat Aufklärung erbracht und Verantwortliche benannt. Aus den Planungen von Großveranstaltungen ist der Horror von damals als Negativbeispiel nicht mehr wegzudenken.

Von Anfang an hat die Justiz gezögert, aus dem schrecklichen Geschehen einen Strafrechtsfall zu machen. Man nahm das übel. Aber wer auf ein rechtsstaatliches Verfahren besteht, muss mit den Ergebnissen leben, auch wenn es nicht die erwünschten sind.

Und das Ergebnis lautet: Auch wenn es Delikte gegeben haben mag, sind die Menschen in einem Unglück gestorben. Es kam vor zehn Jahren in Duisburg mehr zusammen als die strafwürdige Fahrlässigkeit Einzelner.

Den Angehörigen der Opfer gebührt Mitgefühl. Den Eindruck, dass der Tod ihre Liebsten ohne Folgen geblieben wäre, sollte man ihnen nicht geben. Es stimmt nicht, und man vergrößert ihren Schmerz. Es bleibt die Trauer und das Wundern über den Leichtsinn, der damals alle erfasst haben muss. Damals, als sich alle auf die Party freuten.

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