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Politik: Ende einer einmaligen Ära

Die schwedischen Sozialdemokraten regieren seit fast 70 Jahren – jetzt übernehmen die Konservativen

In Schweden kommt es zu einem Regierungswechsel: Der schwedische Ministerpräsident Göran Persson hat am späten Sonntagabend seine Niederlage bei der Parlamentswahl eingeräumt. Kurz zuvor hatte sich bereits Oppositionsführer Fredrik Reinfeldt zum Sieger erklärt. Sein Mitte-rechts-Bündnis lag nach Auszählung fast aller Stimmen mit 1,3 Prozentpunkten vor Perssons sozialdemokratischen Regierungsbündnis. Damit kehren die Konservativen nach zwölf Jahren an die Macht zurück.

Die Sozialdemokraten, die keine eigene Mehrheit besaßen und von Grünen und Sozialisten unterstützt wurden, legten ihr schlechtestes Ergebnis seit Einführung des Wahlrechts in Schweden hin. Die Partei verlor rund vier Prozent ihrer Wähler. Die Konservativen unter dem Spitzenkandidaten der geeinten Allianz, Fredrik Reinfeldt, legten dagegen um rund zehn Prozent zu. „Es war eine Wahl gegen Persson“, kommentierte Wahlforscher Holm.

Mit dem Verlust der Regierungsmacht geht für die Sozialdemokraten eine in Europa einmalige Periode zu Ende: Seit 1932 waren in Schweden bis auf sieben Jahre nur sozialdemokratische Regierungen an der Macht. Der 57-jährige Ministerpräsident Göran Persson hatte bis zuletzt versucht, der erstmals geeint auftretenden bürgerlichen Opposition einen radikalen Sozialabbau vorzuwerfen. Doch die Allianz für Schweden, wie sich das Bündnis nennt, konnte den Wählern glaubhaft machen, dass auch sie für die Erhaltung des Sozialstaats bei gleichzeitiger Modernisierung steht.

Der 41-jährige Reinfeldt, der von der Allianz als gemeinsamer Spitzenkandidat nominiert wurde, legte für seine Konservativen das beste Ergebnis in der Parteigeschichte hin. Die „moderate Partei“ war zusammen mit den Bündnispartnern mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, den Sozialstaat beizubehalten und zu modernisieren. Reinfeldt warf der Regierung immer wieder vor, trotz einer guten wirtschaftlichen Ausgangslage die Arbeitslosigkeit nicht in den Griff bekommen zu haben. Die bürgerlichen Parteien wollen mit einer Halbierung der Arbeitgeberabgaben bei Einstellung von Jugendlichen Unternehmen ermutigen, ihr Personal nach Jahren des Stellenabbaus wieder aufzustocken.

Doch es ist nicht nur die Arbeitslosigkeit, die die nächste Regierung angehen muss: Auf dem Höhepunkt der Konjunktur fallen 2007 die umfangreichsten Tarifverhandlungen seit 30 Jahren an. Im Prinzip verhandelt der gesamte Arbeitsmarkt über neue Löhne. Um nicht in eine für die stark exportorientierte Wirtschaft gefährliche Lohnspirale zu gleiten, sollten nach Ansicht von Ökonomen die Einkommensteuern gesenkt werden. Schweden hat derzeit mit Dänemark die höchsten Steuern aller westlichen Industrieländer. Eine weitere politische Baustelle ist neben einer neuen Energiepolitik eine Reform des Bildungssystems. Vor allem das Fehlen eines Lehrlingssystems nach deutschem Modell wird von Experten, aber auch Unternehmen bemängelt. Sie beklagen, dass immer mehr Schüler entweder ohne Abschluss oder mit unzureichenden Fähigkeiten die Schule verlassen.

Für die Sozialdemokraten bedeutet das schwache Abschneiden nicht nur die ungewohnte Oppositionsrolle, sondern auch ein großes Personalproblem: Der bisherige Premier und Parteivorsitzende Persson kündigte seinen Rücktritt an. Einen klaren Nachfolgekandidaten gibt es nicht, seit die damalige Außenministerin Anna Lindh einem brutalen Attentat zum Opfer fiel. Die Parlamentswahlen beinhalteten mehrere Neuerungen für Schweden: Noch nie zuvor hatte sich die bürgerliche Opposition vor den Wahlen auf ein Programm geeinigt. Und Schweden hat erstmals seit 1981 eine Regierung mit eigener parlamentarischer Mehrheit. Die Sozialdemokraten haben fast immer eine Minderheitsregierung gestellt und sich die notwendigen Mehrheiten bei Grünen und Sozialisten geholt.

Helmut Steuer[Stockholm]

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