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So nicht. Atommüllfässer mit schwach und mittel radioaktivem Müll lagern in Morsleben. Die Fässer sind für abgebrannte Brennelemente allerdings zu unsicher.

© Jens Wolf/picture alliance / dpa

Update

Endlagerkommission: Kompromiss auf 500 Seiten

Die Endlagerkommission einigt sich in ihrem Abschlussbericht auf Kriterien für ein Atommüllager In einem vergleichenden Suchverfahren und mit viel Bürgerbeteiligung soll ein Standort gefunden werden.

Um 0.25 Uhr in der Nacht zum Dienstag hat die Endlagerkommission ihren Abschlussbericht beschlossen, und um 1.15 Uhr war die Sitzung dann auch beendet. Nach zweieinhalb Jahren Arbeit stimmten 14 der 16 stimmberechtigten Mitglieder der Kommission nach einer 13-stündigen Marathonsitzung für den Abschlussbericht. Auf gut 500 Seiten hat die Kommission, der neben acht Wissenschaftlern und acht Vertretern gesellschaftlicher Gruppen auch Politiker aus dem Bundestag und den Ländern angehörten, Kriterien für die Suche nach einem Standort für ein Atomendlager erarbeitet und Vorschläge gemacht, wie die Bürgerbeteiligung über den langen Such-, Bau- und Betriebsprozess organisiert werden könnte.

Die beiden Vorsitzenden der Endlagerkommission, Ursula Heinen-Esser (CDU) und Michael Müller (SPD), sind erleichtert, dass weitgehende Einigkeit gefunden werden konnte. Heinen-Esser sagte dem Tagesspiegel, die Endlagerkommission habe einen „Katalog erarbeitet, mit dem man die Endlagersuche probieren kann“. Sie lobte: „Der Wille zum Konsens war spürbar.“ So hätten die Grünen beim Thema Gorleben „gestanden“, sagte Heinen-Esser anerkennend. Sogar der niedersächsische Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne), der sich damit lange schwergetan hatte, stimmte am Ende zu. Was Heinen-Esser damit meint, ist der Kompromiss zum Thema Gorleben, der - dem Auftrag der Kommission entsprechend - Gorleben zunächst im Verfahren belässt. Das Prinzip "weiße Landkarte" vor der Endlagersuche soll auch für Gorleben gelten. Das war der Union wichtig, und die Grünen haben diesen Kompromiss mitgetragen, obwohl sie Gorleben für einen ungeeigneten Endlagerstandort halten. Das bestätigte auch der schleswig-holsteinische Umweltminister Robert Habeck (Grüne): "Es wurden echt noch ein paar dicke Brocken weggeräumt. Viele mussten immer wieder über ihre Schatten springen. Aber alle wussten, dass es bei dieser Kommission um so etwas wie eine nationale Versöhnung geht – in einem Streit, der die Republik jahrzehntelang gespalten hat."

Auf der anderen Seite steht in Gestalt des Bundestagsabgeordneten Steffen Kanitz zumindest die CDU zum Kompromiss. Kanitz betont „die Gleichbehandlung aller potenziellen Standorte durch die Anwendung wissenschaftlicher Kriterien in einem vergleichenden Verfahren“. Außerdem stellt er klar, dass „alle drei für Deutschland in Betracht kommenden Wirtsgesteine berücksichtigt werden: Steinsalz, Tongestein und Kristallingestein“.

Bayern schert schon wieder aus

Damit widerspricht Kanitz der bayerischen Umweltministerin Ulrike Scharf (CSU) und ihrem sächsischen Kollegen Thomas Schmidt (CDU), die ein Sondervotum angekündigt haben. Scharf sagte dem Tagesspiegel: „Die Gesteine in Bayern sind nicht für ein Endlager geeignet – das gilt für Granit, Ton und Salz. Sie bieten die notwendige geologische Barrierewirkung nicht.“ Sie führt weiter aus: "Die Sicherheit des Endlagers steht an oberster Stelle. Bei der Sicherheit dürfen keine Abstriche aus politischen Gründen gemacht werden." Und deshalb halte Bayern "an dem Konzept der geologischen Barriere zum Einschluss der radioaktiven Abfälle fest". Bayern reiche es nicht, auf technische Barrieren wie besonders sichere Behälter zu vertrauen, sagt Scharf. "Wir brauchen in den Stein gemeißelte Sicherheit." Bayern werde sich klar dafür aussprechen, dass nur Wirtsgesteine mit bestmöglicher Sicherheit für ein Endlager in Betracht kommen. Zudem dränge die Zeit. "Wir sollten uns deshalb auf eine zügige Suche konzentrieren. Ressourcen für eine Suche sollten nicht dort eingesetzt werden, wo wegen der Beschaffenheit des Bodens keine Aussicht auf Erfolg besteht." Und das sagt Scharf, sei in Bayern so. Im Verlauf der Kommissionsarbeit hat Bayern allerdings mehrfach damit argumentiert, es lägen nicht genügend Daten über die Beschaffenheit der Gesteine in Bayern vor. Scharf findet jedenfalls: "Nur wenn die Suche schnell und konsequent erfolgt, kann verhindert werden, dass die Zwischenlager durch die Hintertür schleichend zu Endlagern werden."

Der baden-württembergische Umweltminister Franz Untersteller (Grüne) hofft, dass das Umweltministerium die Arbeit der Endlagerkommission noch in dieser Legislaturperiode mit einer Novelle des Standortauswahlgesetzes (StandAG) umsetzt und die Suche dann tatsächlich beginnen kann. „Es wird beim Standortsuch- und -auswahlverfahren jetzt darauf ankommen, dass Einzelinteressen nicht wieder die Überhand über die gesamtgesellschaftliche Notwendigkeit gewinnen, ein an höchsten Sicherheitskriterien ausgerichtetes Endlager zu bauen“, sagte er am Dienstag. „Diese Chance nicht zu verspielen, sind wir unseren Nachkommen schuldig.“ Michael Müller sagte: „Der Bericht hat mehr gebracht, als ich erwartet habe.“ Zufrieden ist er mit der „politischen Einordnung der Technikbewertung und Zukunftsethik“, denn Fehler wie den Einstieg in die Atomenergie könnte man mit diesem moralischen Kompass vermeiden. Bei den Sicherheitskriterien, über die am Montag noch stundenlang verhandelt wurde, „haben wir einen Sprung nach vorn gemacht“, findet Müller.

Kompromiss zur Gorlebenfrage

Allerdings kritisiert der Kommissionsvorsitzende Müller, „dass die Kommission nicht die Kraft hatte, Gorleben als Standort auszuschließen“. Aus der Anti-Akw-Bewegung gab es deshalb Kritik. Der Atomexperte Tobias Münchmeyer von Greenpeace findet: „Der Endbericht ist kontaminiert durch ein Wort: ,Gorleben‘.“

Die Atomexpertin der grünen Bundestagsfraktion, Sylvia Kotting-Uhl, bedauert die Gegenstimme von Klaus Brunsmeier vom BUND, denn er „hat viel zum guten Ergebnis der Kommission beigetragen“. Noch am Montag setzte Brunsmeier durch, dass betroffene Bürger nach jedem Verfahrensschritt noch individuell Klage erheben können, was im StandAG nicht vorgesehen war. „Schade, dass es seinem Verband nicht genug war“, bedauerte Kotting-Uhl. Sie findet: „Mit unseren Empfehlungen eröffnen wir die Möglichkeit eines fairen und gerechten Verfahrens."

Die beiden Industrievertreter, Bernhard Fischer (Eon) und Gerd Jäger (RWE), stimmten zwar bei den Einzelabstimmungen über die Suchkriterien und den Rechtsschutz der Bürger am Montag mehrfach nicht zu. In der Schlussabstimmung stellten sie sich aber dennoch hinter den Bericht der Endlagerkommission.

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