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Endlagersuche: Gordischer Knoten Gorleben

Niedersachsen spielte bei der Suche nach einem Kompromiss in der Endlagersuche eine Schlüsselrolle – wegen des Zankapfels Gorleben. Wie ist es gelungen, die Niedersachsen zu überzeugen?

Von dem Ende der Castor-Transporte mit hochradioaktivem Müll nach Gorleben findet sich im neuen Gesetzentwurf zur Endlagersuche kein einziges Wort: weder in den einzelnen Paragrafen noch in deren Begründungen. Mit den von Atomkraftgegnern immer wieder heftig attackierten Atommüllfuhren aus den Wiederaufbereitungsanlagen im britischen Sellafield und im französischen La Hague hat das Auswahlverfahren für einen Standort zur Lagerung von hoch radioaktiven Abfällen zunächst auch nichts zu tun. Und dennoch bildet beides eine unzertrennliche Schicksalsgemeinschaft. „Der Castor-Stopp ist für uns ein zentraler Punkt“, sagt Niedersachsens Umweltminister Stefan Wenzel (Grüne). „Das Land macht davon seine Zustimmung vom Gesamtpaket abhängig.“ Jeder weitere Transport in das Zwischenlager Gorleben würde nur weitere Fakten für das dortige Erkundungsbergwerk in Steinwurfnähe schaffen; dies würde eine ergebnisoffene und bundesweite Suche nach einem Endlager konterkarieren, betont Wenzel.

Auf das Ende der Transporte ins wendländische Zwischenlager hatte sich Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) vor zwei Wochen mit Niedersachsen verständigt. Auf dem Gipfel am heutigen Dienstag in Berlin geht es nun darum, diese Zusage verbindlich festzuschreiben. Im Gespräch ist eine entsprechende „Protokollnotiz“ des Bundes. Dafür muss man jedoch andere Bundesländer für die Aufnahme der insgesamt noch 27 ausstehenden Atommüllbehälter gewinnen. Schleswig-Holstein und Baden-Württemberg haben immerhin schon positive Signale ausgesendet.

Die Aussicht auf den Castor-Stopp hatte das Einlenken von Niedersachsens rot-grüner Landesregierung in Sachen Endlagerkonzept offenbar erst ermöglicht. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hatte noch im Landtagswahlkampf den sofortigen Ausschluss des Salzstocks Gorleben aus dem Suchverfahren gefordert. Geologisch ungeeignet und politisch verbrannt sei der Standort, so lautete Weils Argument. Das findet zwar auch der grüne Koalitionspartner; er wollte aber – nicht zuletzt auf Druck der Bundespartei – Gorleben zunächst aus taktischen Gründen im Topf belassen. Zum einen, um Betroffenen an anderen Standorten keine politische Munition für eine Ablehnung des Gesamtkonzeptes zu liefern. Zum anderen aber auch wegen möglicher Schadensersatzforderungen der Atomindustrie, die bereits rund 1,6 Milliarden Euro in den Salzstock gesteckt hat.

Gorleben fliegt also nicht aus dem Such-Gesetz. Im Gegenteil: Dem Salzstock ist dort ein eigenes Kapitel gewidmet. Dieses erklärt allerdings ausdrücklich, dass Gorleben kein Referenzstandort für die Suche ist; es regelt außerdem das Ende der Erkundungsarbeiten. Die vom Altmaier-Ministerium ursprünglich vorgesehene Möglichkeit, unter Tage ein Forschungslabor für das Wirtsgestein Salz einzurichten, wurde auf Drängen Niedersachsens herausgestrichen. Auch andere Änderungen schreibt sich Rot-Grün in Hannover als Erfolg auf die Fahnen: So habe man erleichterte Enteignungen im Zuge des Standortsuche ebenso verhindern können wie die (teilweise) Privatisierung von staatlichen Aufgaben im Auswahlprozess. Schließlich habe Niedersachsen dafür gesorgt, dass betroffene Anwohner gegen die Vorauswahl von Standorten für die übertägige und später untertägige Erkundung vor den Verwaltungsgerichten klagen können.

Für die Anti-Atom-Aktivisten im Wendland ist dies alles kein Grund, dem Kompromiss ihren Segen zu erteilen. Gorleben als Standort werde durch das undurchsichtige Verfahren zementiert, kritisierte Jochen Stay von der Initiative „ausgestrahlt“. Der vorläufige Castor-Stopp sei da nur ein billiges Ablenkungsmanöver, warnt er.

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