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Am Horizont und noch viel weiter. Im niedersächsischen Windpark Schöneseiffen.

© Julian Stratenschulte/dpa

Energiewende: Wer Wind erntet

...profitiert oft, wo er nicht gesät hat. Ohne Zustimmung Anwohner hat das System aber keine Chance. Ein Kommentar.

Am Anfang ging es nur um die Ästhetik. Windräder am Strand stören den Blick in die Landschaft und auf das Meer, monierten Kritiker der Energiegewinnung aus der bewegten Luft. Von „Verspargelung“ des Horizontes war schon vor anderthalb Jahrzehnten die Rede, zu einem Zeitpunkt, an dem nur ein Bruchteil der Windmühlen von heute auf den Feldern in den Küstenregionen an Nord- und Ostsee standen.
Tatsächlich kann man es als optische Landplage bezeichnen, was da im Zuge der Energiewende entstanden ist. Besonders ärgerlich für viele Menschen war aber die Erkenntnis, dass sie nicht gefragt wurden, ob ihnen gefällt, was da entsteht, und dass sie auch keinen direkten Nutzen davon hatten.

Die erheblichen Einnahmen aus der Einspeisung des Windstromes fließen nämlich nur in die Taschen der Investoren. Die kommen in der Regel nicht einmal aus der Region.
Seitdem zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern in der Boddenlandschaft die ursprünglich nur 100 Meter hohen Windräder durch 150 oder gar 200 Meter hohe Anlagen ersetzt werden, und durch Tricksereien (man nennt es Testanlage) dennoch nur knapp 500 Meter von den Häusern entfernt stehen, hat sich ein Sturm entfacht. Und der bläst nicht in der Höhe, sondern auf dem Boden.

Lärm, Schattenwurf, nächtliches Blinken, tote Vögel – so haben sich die Menschen die Energiewende nicht vorgestellt. Wenn Politiker oder Energieunternehmen sich einbilden, sie könnten – unter Hinweis auf zwingende Notwendigkeiten der Energiewende – so weiter machen, irren sie sich.

Risiko von Protesten

Wer die Kommunalvertretungen und die Bevölkerung in den ländlichen Regionen Norddeutschlands nicht in die Stationierungsentscheidungen einbindet, provoziert wütende Proteste und riskiert Wahlniederlagen.

Die Landesregierung Mecklenburg-Vorpommerns ist die erste, die das kapiert und die Erkenntnis in Form eines „Bürger- und Gemeindenbeteiligungsgesetzes“ umgesetzt hat. Die Vorschrift zwingt auch auswärtige Investoren, den unmittelbaren Nachbarn der künftigen Anlagen eine Beteiligung anzubieten. Die würden dann am Profit der Windräder partizipieren. Umweltschützer mögen bestreiten, dass dies den Lärm einer solchen Anlage und die Belästigung erträglicher macht.

Alle Erfahrung zeigt jedoch, dass Menschen Beeinträchtigungen leichter ertragen, wenn sie einen unmittelbaren materiellen Nutzen davon haben. Das aber unterscheidet ein Windrad vom Bau einer Straße oder einer Eisenbahnlinie, deren Nutzwert sich zwar für die Gemeinschaft berechnen, für den Einzelnen indes kaum manifest angeben lässt. Nicht nur einzelne Bürgerinnen und Bürger, sondern auch die Gemeinden selbst können nach der Mecklenburg-vorpommerschen Regelung Miteigentümer werden.

Sie gewönnen so die Mittel für Investitionen, etwa in Kindergärten, Schulen oder Gemeindetreffs und wären nicht mehr gezwungen, die Gewerbesteuer immer weiter zu erhöhen. Hohe Hebesätze aber vertreiben nach allen Erfahrungen auch noch die letzten Unternehmen aus den Randregionen. Fazit: Die Energiewende muss kommen. Das Beispiel zeigt, wie man sie erträglicher machen kann.

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