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Macron und Kanzlerin Merkel am Donnerstag in Aachen nach der Verleihung des Karlspreises an den französischen Staatschef.

© Reuters/Thilo Schmuelgen

Engagement für Europa: Macron hat den Karlspreis verdient, weil er einen Plan hat

Gerade weil der Nationalismus in vielen Staaten in der EU auf dem Vormarsch ist, zeugt die Strategie des französischen Präsidenten von großem Mut – was man von Angela Merkel nicht behaupten kann. Ein Kommentar.

Gerade einmal ein Jahr ist der französische Präsident Emmanuel Macron im Amt, und schon wird er für seine Verdienste um Europa mit dem renommierten europäischen Karlspreis ausgezeichnet. Kommt die Ehrung zu früh? Keinesfalls. Macron hat den Karlspreis allein schon deshalb verdient, weil er über die Grenzen seines Landes hinaus eine neue Begeisterung für Europa geweckt hat.

„Wenn Du ein Schiff bauen willst, dann trommle nicht Männer zusammen, um Holz zu beschaffen, Aufgaben zu vergeben und die Arbeit einzuteilen, sondern lehre die Männer die Sehnsucht nach dem weiten, endlosen Meer“, schrieb der französische Schriftsteller Antoine de Saint-Exupéry. So ähnlich ist es auch mit Macron und Europa: Er macht in seinen Reden – so auch wieder bei der Verleihung des Karlspreises – deutlich, dass Europa mehr ist als ein Geflecht aus komplizierten Richtlinien, Bürokratie und einer verwirrenden Vielzahl von Institutionen in Brüssel. Sein Werben für eine „europäische Souveränität“ folgt der Erkenntnis, dass die Länder auf diesem Kontinent politisch und wirtschaftlich noch weiter zusammenwachsen müssen, wenn sie inmitten einer zunehmenden internationalen Unsicherheit auch künftig bestehen wollen.

Skeptiker mögen einwenden, dass Macron kurzfristig nicht viel von seinen europäischen Visionen wird umsetzen können. Die Forderung eines größeren Budgets für die Euro-Zone kann sich Bundeskanzlerin Angela Merkel angesichts der Widerstände in ihrer Fraktion nicht zu eigen machen. Auch die engere Zusammenarbeit in der europäischen Verteidigungspolitik, die dem französischen Präsidenten vorschwebt, wird bis auf Weiteres Zukunftsmusik bleiben.

Macron hat einen langfristigen Plan für die EU

Entscheidend ist aber etwas anderes, das über den Tag hinausweist: So wie Charles de Gaulle „eine gewisse Idee von Frankreich“ hatte, so verfügt auch Macron über einen Plan, wo es mit Europa hingehen soll. Und es ist gut möglich, dass er damit in der Generation der heute 20-Jährigen einen Impuls für die Überwindung weiterer Barrieren zwischen Nationalstaaten in Europa auslöst, der noch lange nachwirkt.

Macron trifft dabei auf eine komplizierte europäische Gemengelage: Frankreichs Präsident leistet Überzeugungsarbeit nicht nur in seinem eigenen Land, sondern auch gegenüber den Menschen in Deutschland, die der EU zwar seit dem Brexit positiver gegenüber stehen, aber wenig von Transferleistungen an klamme Euro-Staaten halten. Hinzu kommen die politische Ungewissheit im europäischen Gründungsland Italien und ein zunehmender Widerstand gegen Brüsseler Kompetenzansprüche in osteuropäischen Mitgliedstaaten.

Gerade weil der Nationalismus in vielen Staaten in der EU auf dem Vormarsch ist, zeugt es von großem Mut, dass Macron in Aachen eine Perspektive für die Entwicklung der EU in den kommenden drei Jahrzehnten dargelegt hat. Dabei bietet er die Vision eines Kerneuropas an, das allen zu einer weiteren Integration willigen Staaten offensteht.

Einen vergleichbaren Weitblick ließ Merkel in ihrer Laudatio auf den französischen Präsidenten vermissen. Zwar erklärte die Kanzlerin, dass die Aufgabe ihrer Generation darin bestehe, „Europa dauerhaft als Zukunftsprojekt“ zu verankern. Wie sich dieser Anspruch angesichts zunehmender Spaltungen in der Gemeinschaft einlösen lässt, ließ sie aber offen.

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