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Politik: England: Lehrer: Wenig Geld, aber viel Arbeit

Für viele englische Schulkinder beginnt das Schuljahr an diesem Montag mit Unterrichtsausfall, in einigen Fällen sogar mit einer Viertagewoche. Noch nie, seit es öffentliche Schulen gibt, war der Lehrermangel so schlimm, bestätigte die Schulaufsichtsbehörde "Office for Standards in Education".

Für viele englische Schulkinder beginnt das Schuljahr an diesem Montag mit Unterrichtsausfall, in einigen Fällen sogar mit einer Viertagewoche. Noch nie, seit es öffentliche Schulen gibt, war der Lehrermangel so schlimm, bestätigte die Schulaufsichtsbehörde "Office for Standards in Education".

Hektisch haben Schulleiter und lokale Erziehungsbehörden, die für die Lehrereinstellung verantwortlich sind, den Globus nach tauglichem Personal abgesucht. In einer Grundschule in Peckham arbeiten vier Russinnen, und eine Gesamtschule in Hampshire hat gleich sieben Lehrer aus Bulgarien eingestellt. Trotzdem waren nach offiziellen Angaben Ende vergangener Woche 4960 Stellen unbesetzt. Der Lehrerverband "Professional Association of Teachers" glaubt, dass die wirkliche Zahl weit höher liegt.

Kein Wunder, dass Schulministerin Estelle Morris wiederholt versichern musste, die Qualität des Unterrichts in England sei so gut wie nie. Für die Labour-Regierung, deren Prioritätenliste Premier Tony Blair 1997 als "Bildung, Bildung, Bildung" bezeichnete, ist die Schulkrise peinlich. Aber sie ist nur ein Aspekt der chronischen Infrastrukturkrise. In der vergangenen Woche bezeichnete ein Bericht des "Rail Passengers Council" den Zustand des Schienensystems als "so schlecht wie nie zuvor in Friedenszeiten". Die Diskussion über die Verfrachtung von Patienten des National Health Service zur Behandlung in deutschen Krankenhäusern läuft weiter auf Hochtouren.

Schlechte Bezahlung und Arbeitsüberlastung werden als Hauptgründe dafür genannt, dass jeder vierte Junglehrer den Job spätestens im dritten Berufsjahr hinschmeißt. Doch auch Sozial- und Gesundheitsdienste, Polizei und Feuerwehren leiden unter Besorgnis erregender personeller Verwahrlosung. In Ansehen und Bezahlung ist der öffentliche Dienst in den vergangenen Jahren in Großbritannien stetig hinter der freien Wirtschaft zurückgefallen.

"Zwischen öffentlichem und privatem Bereich ist ein Kampf um die besten Talente im Gange, den wir nicht verlieren dürfen", erklärte der für die Kommunen zuständige Kabinettsminister Stephen Byers. Labour steht unter Zugzwang. Als erste Notmaßnahme kündigte der Minister Sondermittel an, um Polizisten, Ärzten, Krankenschwestern und Lehrern mit zinslosen Krediten beim Wohnungskauf zu helfen.

Viele glauben, dass Labour um eine umfassende Rehabilitierung des öffentlichen Dienstes nicht herumkommt. Jedenfalls spüren die Gewerkschaften Morgenluft: Beim Jahreskongress in der kommenden Woche wird der Gewerkschaftsdachverband TUC landesweite Massenproteste gegen Labours geplante Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen beschließen - zum ersten Mal seit dem Bergarbeiterstreik von 1980 würden die britischen Gewerkschaften wieder in die Offensive gehen.

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