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Politik: Entlastete Mitte

Kaum haben Union und FDP ihre Steuersenkungspläne vertagt, naht Heil von der SPD

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Berlin – Verkehrte Welt: Während die schwarz-gelbe Koalition ihre Pläne zur steuerlichen Entlastung der Mittelschicht auf Eis gelegt hat, wird in der SPD an einem Steuersenkungskonzept für die Bezieher kleiner und mittlerer Einkommen gearbeitet. Als erster führender Sozialdemokrat hat der stellvertretende Fraktionsvorsitzende Hubertus Heil ein Thesenpapier vorgelegt, das eine Debatte in und außerhalb der Partei anregen soll. Darin fordert Heil, Klein- und Mittelverdiener von Steuern und Abgaben zu entlasten und dadurch die Binnennachfrage anzukurbeln. Zur Finanzierung schlägt er eine Anhebung des Spitzensteuersatzes auf 50 Prozent und eine höhere Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge vor.

Sein Konzept versteht der Sozialdemokrat ausdrücklich auch als Angebot an Wähler von Union und FDP, die von der Politik der Bundesregierung enttäuscht sind. Zwei Wochen nach der Vorlage des Sparpakets warf Heil Schwarz-Gelb vor, keine wachstumsorientierte Politik zu betreiben. Das 80-Milliarden-Paket der Regierung enthalte „keinerlei wirtschaftspolitische Impulse“, sagte Heil dem Tagesspiegel am Sonntag. Die Senkung von Abgaben und Steuern für die Mittelschicht und die Anhebung des Spitzensteuersatzes hatten zuvor Politiker der CSU und auch der Wirtschaftsrat der CDU gefordert. Mit seinem Konzept „Wachstum durch Gerechtigkeit“ wolle er daher „alle vernünftigen Kräfte in der Koalition“ ansprechen, sagte Heil. Die SPD will in diesem Sommer ein eigenes Steuer- und Abgabenkonzept erarbeiten.

Im Zentrum von Heils Konzept steht die Senkung der Einkommenssteuer für alle Steuerzahler mit einem Jahreseinkommen zwischen 13 500 und 65 000 Euro. „Die Arbeitnehmer mit mittleren Einkommen tragen vergleichsweise die höchste Lasten“, kritisierte der SPD-Wirtschaftspolitiker. Sein Konzept sieht eine Verschiebung der progressiven Steuerlastkurve vor, die dazu führt, dass der Spitzensteuersatz erst bei einem Single-Einkommen von 85 000 Euro erreicht wird. Im Augenblick zahlen bereits alle, die rund 53 000 Euro verdienen, diesen Satz – darunter auch Facharbeiter, deren Einkommen brutto bei gut 4400 Euro im Monat liegt. Zum Ausgleich soll der Spitzensteuersatz von jetzt 42 Prozent auf 50 Prozent angehoben werden. „Wir wollen nicht länger hinnehmen, dass Durchschnittsverdiener vom Finanzamt wie Spitzenverdiener behandelt werden“, sagte Heil. Die sogenannte Reichensteuer, die Spitzenverdiener ab einem Jahreseinkommen von 250 000 Euro (45 Prozent) zahlen, würde damit obsolet. Die Entlastung kleiner und mittlerer Einkommen und die Belastung von Spitzenverdienern sei ein „Gebot der fairen Lastenverteilung“, sagte Heil. Sie könne für den Staat aufkommensneutral gestaltet werden.

Zudem sehen Heils Pläne eine Neuordnung der Abgabenbelastung von kleinen und mittleren Einkommen vor. Bei Beziehern von Einkommen zwischen 400 und 1500 Euro monatlich sollen die Sozialabgaben – anders als jetzt – progressiv steigen und damit mehr Anreize zur Arbeitsaufnahme schaffen. Gegenwärtig zahlen Arbeitnehmer, die zwischen 800 und 1500 Euro im Monat verdienen, bereits den vollen Sozialversicherungsbeitrag. Das führt dazu, dass etwa für 1000 Euro Verdienst 200 Euro Abgaben fällig werden. Die Verluste für die Sozialversicherung wegen der progressiven Tarife (zwischen drei und vier Milliarden Euro) will Heil durch eine Anhebung der Abgeltungssteuer auf Kapitalerträge von derzeit 25 auf 33 Prozent finanzieren.

Zur Konsolidierung der Staatsfinanzen schlägt der SPD-Vizefraktionschef im Bundestag die Einführung einer europaweiten, aber im Zweifelsfall auch nationalen Finanzmarkttransaktionssteuer vor. Bei einer Belastung von 0,05 Prozent auf jede Transaktion könne der Staat mit Einnahmen von 10 bis 20 Milliarden Euro rechnen. Außerdem will Heil die „Klientelgeschenke“ des schwarz-gelben Wachstumsbeschleunigungsgesetzes, wie etwa die Entlastung von Erben und Hoteliers, rückgängig machen.

Die SPD will bei einem Parteitag im kommenden Herbst Eckpunkte für ein neues Wachstums- und Steuerkonzept beraten. Eine Arbeitsgruppe des Parteivorstandes arbeitet gegenwärtig an einem Vorschlag.

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