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Politik: Entscheid für den Entscheid

In Hamburg soll die direkte Demokratie einfacher werden

In der Hansestadt Hamburg vollzieht sich in diesen Tagen die Nagelprobe zum Artikel 20 Absatz 2 des Grundgesetzes: Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Noch bis zum 14. Oktober läuft in der Hansestadt der Volksentscheid über die Verbindlichkeit und das nötige Quorum eines Volksentscheides. Und weil die Parteien mitten im Wahlkampf für die Bürgerschaftswahl am 28. Februar 2008 sind, wird der Abstimmung eine richtungweisende Bedeutung beigemessen.

Den Ursprung für das jetzige Plebiszit lieferte die CDU, die sich im Dezember 2004 über einen Volksentscheid gegen die Privatisierung städtischer Kliniken hinwegsetzte. Über 75 Prozent hatten seinerzeit die Kampagne „Gesundheit ist keine Ware“ unterstützt, um den Verkauf der Landesbetriebskrankenhäuser zu verhindern. Der Verein „Mehr Demokratie“ startete daraufhin eine Kampagne für eine verbindliche gesetzliche Basis durch Modifizierung des Artikels 50 der Hamburger Verfassung. Dazu bedurfte es zweier Anläufe: eine Volksinitiative 2005 und ein Volksbegehren im März 2007. Da kamen rund 100 000 Unterschriften zusammen, die den Weg für die jetzige Abstimmung frei machten, da die regierende CDU die Landesverfassung nach wie vor nicht antasten wollte.

Damit der Volksentscheid unter dem Titel „Hamburg stärkt den Volksentscheid“ erfolgreich ist, sind 607 468 Stimmen nötig – 50 Prozent der Wahlberechtigten. Genau diese Quote ist Gegenstand des laufenden Referendums und soll nach dem Willen von „Mehr Demokratie“ fallen, denn man möchte für Verfassungsänderungen die Hürde auf 35 Prozent, bei anderen Entscheidungen von 20 auf 17,5 Prozent herabsetzen.

Während „Mehr Demokratie“ von SPD, der GAL, der Linken, Gewerkschaften und zahlreichen Initiativen unterstützt wird, will die CDU den Status quo beibehalten und warnt vor dem Untergang der parlamentarischen Demokratie. Künftig könne eine Minderheit Verfassung und Gesetze ändern und dem Parlament Vorschriften diktieren, befürchtet die Union und erklärt den Volksentscheid zur „Schicksalsfrage Hamburgs“. Bürgermeister Ole von Beust beruft sich auf seinen berühmten Vorgänger Herbert Weichmann (SPD), der in den sechziger Jahren den Begriff der „Überdemokratisierung“ prägte und sich dagegen aussprach, dem Staat durch Bürgerentscheide seine Handlungsfähigkeit zu nehmen.

Die SPD spricht von einer „Hetzkampagne“ der CDU gegen den Volksentscheid, die CDU kontert und wirft der SPD eine „Schmutzkampagne“ vor. Dies ist auf den Bürgerschaftsabgeordneten Andreas Dressel gemünzt, der von Beust als „Freiherrn mit monarchischen Anwandlungen“ bezeichnete.

Bis zum gestrigen Donnerstag konnte in Hamburg per Briefwahl abgestimmt werden, am kommenden Sonntag können die Bürger in den Wahllokalen an die Urne gehen. 267 300 Briefabstimmungen wurden schon vor Einsendeschluss registriert. Die Initiatoren von „Mehr Demokratie“ bemängelten Unregelmäßigkeiten bei der Verschickung von Briefwahlunterlagen. Vom Landeswahlamt wurde eingeräumt, dass es bei der Postzustellung zu Verzögerungen gekommen sei. Nicht fristgerecht zugesandte Unterlagen bieten Angelika Gardiner, Sprecherin von „Mehr Demokratie“, nun eine Handhabe, den Volksentscheid anzufechten, wenn die benötigte Stimmenzahl verfehlt wird. Das könnte durchaus passieren, denn die bisherige Briefstimmenzahl ist hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Wobei zudem ja noch unklar ist, wie viel Fürstimmen darunter sind.

Auf das Ergebnis wird man bis Ende Oktober warten müssen. Am 14. Oktober wird zwar unmittelbar nach 18 Uhr in den Wahllokalen gezählt, doch die Briefvoten werden erst in den Folgetagen von einem privaten Dienstleister angefasst.

Dieter Hanisch[Hamburg]

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