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Hassprediger. Dem ehemaligen Statthalter des IS in Deutschland, Abu Walaa, droht im Prozess am Oberlandesgericht Celle ein hartes Urteil

© Julian Stratenschulte/dpa/AFP

Er radikalisierte junge Muslime: IS-Terrorchef Abu Walaa droht hartes Urteil

Abu Walaa führte die IS-Filiale in Deutschland und schickte Muslime in den Dschihad. Am Mittwoch verkündet das Oberlandesgericht Celle das Urteil.

Von Frank Jansen

Er galt als Deutschland-Chef der Terrormiliz „Islamischer Staat“, er radikalisierte mit seinen Predigten junge Muslime und schickte sie nach Syrien in den „Heiligen Krieg“. Für diese Verbrechen droht dem Iraker Ahmad A., bekannt mit seinem Kampfnamen „Abu Walaa“ ("Vater der Loyalität"), nun eine lange Haftstrafe.

Das Oberlandesgericht Celle will diesen Mittwoch, nach 245 Prozesstagen das Urteil gegen den Salafistenprediger und drei Mitangeklagte verkünden. Die Bundesanwaltschaft hat elfeinhalb Jahre Haft für Abu Walaa gefordert. Die mutmaßlichen Kumpane sollen mit Haft zwischen viereinhalb und zehn Jahren bestraft werden. Einen fünften Angeklagten, der geständig war, hatte das OLG im April 2020 zu drei Jahren und drei Monaten Haft verurteilt. Abu Walaa hingegen schwiegt vor Gericht. Die drei Mitangeklagten bestritten die Tatvorwürfe.

Der Fall ist auch für Berlin von Bedeutung. Abu Walaa und mindestens ein Mitangeklagter hatten Kontakt zum Attentäter Anis Amri. Der Tunesier, ein Mann des IS, griff am 19. Dezember 2016 mit einem gekaperten Truck den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz an. Zwölf Menschen starben, mehr als 60 wurden verletzt. Abu Walaa war in der Fussilet-Moschee im Stadtteil Moabit aufgetreten, hier hielt sich auch Amri häufig auf.

Die Verteidiger von Abu Walaa plädierten auf Freispruch. Sie bezweifelten die belastenden Ausssagen des Kronzeugen Anil O. Der Deutschtürke war mit Frau und Sohn von Abu Walaas Netzwerk 2015 dem IS in Syrien zugeführt worden. Doch Anil O. widerte die Brutalität der Terrormiliz an.

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Er kam im September 2016 mit der Familie nach Deutschland zurück und packte nach seiner Festnahme bei den Ermittlern aus, vor allem zu den Machenschaften von Abu Walaa und dessen Truppe. Zwei Monate später nahm die Polizei den Prediger und seine vier wichtigsten Komplizen in der Region Hildesheim und in Nordrhein-Westfalen fest. Im September 2017 begann am OLG Celle der Prozess.

Die lange Dauer der Verhandlung ist vor allem mit Problemen bei der Ladung von Zeugen zu erklären, Befangenheitsanträge blieben aus. Es gelang dem Gericht nicht, Männer zu hören, die in Syrien inhaftiert sind. Schwierig war auch der Fall des Spitzels „VP 01“. Die Polizei Nordrhein-Westfalen hielt die Sperrerklärung aufrecht, die Richter hörten dann den Führungsbeamten von VP 01. Der Spitzel hatte auch Anis Amri gut gekannt.

Abu Walaa war für die Salafistenszene eine mythische Figur

Hauptquartier für Abu Walaa und sein deutsches IS-Netzwerk war die Moschee des Vereins „Deutschsprachiger Islamkreis Hildesheim (DIK)“. Hier predigte er den Hass auf „ Ungläubige“. Entweder bei „Seminaren“ im Gebäude oder über das Internet. Der Iraker gab sich mysteriös, in den Videos war er nur von hinten zu sehen. In der Islamistenszene wurde Abu Walaa als „Prediger ohne Gesicht“ zum Mythos. Sein Einfluss war enorm. Aus dem ganzen Bundesgebiet kamen Salafisten nach Hildesheim zu Abu Walaa.

In den Seminaren glorifizierte er den Dschihad und rechtfertigte die Morde des IS, auch die Verbrennung eines jordanischen Kampfpiloten. Der Oberleutnant war im Dezember 2014 mit seinem Jet nahe der syrischen Stadt Rakka abgestürzt, damals eines der Machtzentren des IS. Die Miliz nahm den Piloten gefangen, Anfang 2015 wurde er bei lebendigem Leib verbrannt. Das Video zur Gräueltat verbreitete der IS im Internet.

Die Hetze hatte Folgen. Abu Walaa traf im März 2016 zwei jugendliche Salafisten aus Essen, einen Monat später verübten sie dort einen Bombenanschlag auf einen Sikh-Tempel. Drei Menschen erlitten Verletzungen. Und mindestens 15 Teilnehmer der Seminare reisten danach in Richtung Syrien aus. Ein Salafist aus Bremen sprengte sich 2015 im Irak bei einem Selbstmordanschlag in die Luft. Ebenfalls 2015 opferten sich zwei Konvertiten, Zwillingsbrüder aus Castrop-Rauxel, bei der Explosion von Autobomben des IS im Irak. Die Männer waren 2014 in der Hildesheimer Moschee.

Im März 2017 setzte Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) dem Treiben ein Ende. Der Moscheeverein wurde verboten, die Immobilie beschlagnahmt. In der Verfügung steht, im Verein werde „ein religiöses Verständnis vermittelt, das auf der elementaren Ablehnung des Grundgesetz-basierten Rechtsstaates, auf der Verletzung von Menschenrechten, auf Hass und auf Gewalt gegen Andersdenkende basiert“.

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