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Erbrecht: Wer Verwandte pflegt, erbt auch mehr

Die Reform des Erbrechts ist lediglich punktuell ausgefallen. Nach wie vor gilt: Die eigenen Kinder können praktisch nicht enterbt werden, es sei denn, sie trachteten dem Erblasser nach dem Leben. Alle anderen können nur dann enterbt werden, wenn sie zu Freiheitsstrafen verurteilt worden sind.

Das 100 Jahre alte Erbrecht wird auf den ersten Blick häufig als furchtbar ungerecht angesehen. Dass ein Kind zum Beispiel jahrelang mit den Eltern partout keinen Kontakt haben will und dennoch nach dem Tod von Mutter oder Vater per Gesetz am Erbe beteiligt wird, verstehen viele nicht. Als vor Monaten Pläne für eine Erbrechts-Reform bekannt wurden, wandten sich nicht wenige Bürger an das Bundesjustizminsterium und plädierten für die Einführung eines Enterbungsgrunds wegen "groben Undanks".

An diesem Mittwoch hat das Bundeskabinett nun den Gesetzentwurf verabschiedet. Vielleicht wäre Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) dem Wunsch aus dem Volk nach ihrem persönlichen Rechtsempfinden sogar gefolgt. Nur: Sie konnte nicht. Denn das Bundesverfassungsgericht hatte schon 2005 ihren gesetzgeberischen Spielraum stark eingeschränkt. Nach dem damaligen Urteil der Karlsruher Richter dürfen Eltern Kinder nur in Extremfällen völlig enterben und ihnen auch das sogenannte Pflichtteil entziehen - etwa dann, wenn der Nachwuchs ihnen nach dem Leben getrachtet hat.

Wer Verwandte pflegt, erhält Erbschaftsanspruch

Bei einem "normalen" familiären Konflikt bleibt es dagegen beim Erbe - auch zum Beispiel, wenn der Sohn dem Opa den Kontakt zum Enkelkind verwehrt. Der Erste Senat erklärte damals, dass das Pflichtteilsrecht Ausdruck einer grundsätzlich unauflösbaren Familiensolidarität sei.

So gesehen konnte die Reform nur eine punktuelle Änderung des Erbrechts sein, wie auch der Vorsitzende der Arbeitsgemeinschaft Erbrecht im Deutschen Anwaltverein, Andreas Frieser, sagt. Aber auch diese kleine Reform wird einen durchaus beachtlichen Fortschritt bringen - und auf einem anderen Feld ein Stück mehr Gerechtigkeit. Denn nach dem Entwurf werden künftig alle Angehörigen, die Verwandte vor deren Tod gepflegt haben, einen Anspruch auf Ausgleich ihrer Pflegeleistung haben. Aus der Erbmasse wird, sofern dies nicht schon vorher geschehen ist, erst einmal ihre Leistung honoriert. Erst dann wird das Erbe unter den Erben nach der gesetzlichen Erbquote verteilt.

Bisher konnten diesen Ausgleichsanspruch nur Kinder und Enkelkinder geltend machen, nicht einmal die Ehefrau, die sich vielleicht aufopferungsvoll jahrelang um den bettlägerigen Mann gekümmert hat. "Mutter hat sich abgerackert und nach dem Tod kommt der Sohn aus Australien und will nur kassieren - das wird es nicht mehr geben", meint Erbrechts-Spezialist Wolfgang Schwackenberg.

Die Erbrechtsreform passt dabei durchaus in die Überlegungen zur Reform der Pflegeversicherung. Auch mit ihr soll die häusliche Pflege gestärkt werden, auch durch eine Pflegezeit und mehr Pflegegeld. "Zwei Drittel der auf Pflege angewiesenen Personen werden nicht im Pflegeheim, sondern im eigenen Zuhause versorgt", steht im Gesetzentwurf des Justizministeriums. Dabei soll es nach dem Willen der Bundesregierung möglichst auch bleiben, damit es in Deutschland nicht zu einem Pflegenotstand kommt.

Freunde und Verwandte haben das Nachsehen

Der Gesetzentwurf zur Erbrechtsreform hat aber auch seine Grenzen. Freunde oder Nachbarn, die einen Menschen jahrelang betreut haben, gehen weiter leer aus. Der Deutsche Notarverein kritisiert genau diesen Punkt und meint, dass für alle, "die den Erblasser während längerer Zeit gepflegt haben", ein solcher Ausgleichsanspruch ins Gesetz geschrieben werden soll. Zypries verwies am Mittwoch über ihre Sprecherin allerdings darauf, dass der Gepflegte natürlich auch per Testament seine Betreuer berücksichtigen kann.

Aber auch für Erblasser, die sich mit Enterbungsgedanken tragen, gibt es im Gesetz gewisse Neuigkeiten. Danach kann nun jeder enterbt werden, der zu einem Jahr Freiheitsstrafe ohne Bewährung verurteilt ist und es dem Erblasser deshalb nicht zuzumuten ist, ihn zu bedenken. Aber auch hier hat der Notarverein Bedenken: Was ist, wenn der Erblasser von einer Tat weiß, Ermittlungen laufen, er aber stirbt, bevor das Urteil abgeschlossen ist? Antwort nach dem gegenwärtigen Gesetzentwurf: Dann hat der kriminelle Erbe Glück gehabt.

Ulrich Scharlack[dpa]

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