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Erbschaftsteuer vor der Reform: Der Streit beginnt

Karlsruhe hat gesprochen, nun ist die Politik dran: Die Erbschaftsteuer muss geändert werden. Vor allem die Union will eine schlanke Reform. Aber kommt sie damit im Bundesrat durch?

Erbschaftsteuer muss reformiert werden.
Erbschaftsteuer muss reformiert werden.

© Imago

Karlsruhe hat gesprochen, Teile des Erbschaftsteuerrechts sind verfassungswidrig. Nun ist die Politik an der Reihe. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will die angemahnten Neuregelungen bei Betriebsübergaben möglichst zügig angehen und hat daher die Länder für Anfang 2015 zu einer Besprechung eingeladen, um das weitere Verfahren für die vom Verfassungsgericht geforderten Änderungen zu besprechen. Mehr soll es nicht sein, eine Rundumreform der Erbschaftsteuer will Schwarz-Rot nicht. Doch die Einnahmen fließen allein den Ländern zu, und daher bestimmt der Bundesrat mit seiner rot-rot-grünen Mehrheit mit. Es dürfte ein ziemliches Gezerre werden. Die schlanke Reform, die Schäuble  möchte und die die Unternehmerverbände fordern, könnte so verzögert oder sogar gefährdet werden.

Söder will die Sätze senken

Am Wochenende aber hat sich zunächst mal Bayern zu Wort gemeldet. Finanzminister Markus Söder (CSU) verlangte, dass die Länder über die Höhe und auch alle Freibeträge der Erbschaft- und Schenkungsteuer bestimmen können. Und zwar jedes Land für sich. Söder würde dann die Steuersätze in Bayern um die Hälfte senken. Den Einwand, dass damit nur ein Steuersenkungswettlauf zwischen den Ländern beginne, kontert er mit der Einschätzung, Steuerwettbewerb sei „grundsätzlich etwas Sinnvolles“. Zudem werde durch eine eigene Steuerhoheit der Länder die Bedeutung der Landtage steigen. Söder geht davon aus, dass niedrige Sätze mehr Unternehmer nach Bayern locken könnten, weshalb die Einnahmen insgesamt nicht sinken würden. Das Land nahm 2013 etwa  970 Millionen Euro aus der Steuer ein, also gut ein Fünftel der bundesweiten Summe von 4,5 Milliarden Euro.

Keine Steuer ist regional so ungleich verteilt wie die Erbschaftsteuer (siehe Grafik). Der Osten (ohne Berlin) nimmt zusammen gerade einmal so viel ein wie das Saarland. Er könnte theoretisch also auch daran interessiert sein, dass die Steuer regionalisiert wird, um mit niedrigen Sätzen Unternehmer anzulocken. Andererseits fließt die Erbschaftsteuer aber in den Finanzausgleich ein, insofern haben die ostdeutschen Finanzminister eher ein Interesse daran, das alles so bleibt, wie es ist. Zum Ärger Söders. Auch die schwächeren  Westländer halten wenig von Regionalisierung. „Ein Flickenteppich mit unterschiedlichen Regelungen in den einzelnen Bundesländern macht keinen Sinn.“, sagt etwa der saarländische Finanzminister Stephan Toscani (CDU). „Wir brauchen weniger statt mehr Ungleichbehandlung.“

Der Bund muss regeln, sagt Karlsruhe

Die Gesetzgebungszuständigkeit liegt, obwohl es um eine reine Ländersteuer geht, beim Bund. Und im Bundestag hat zumindest die SPD-Fraktion bislang wenig Sympathie für eine größere Steuerautonomie der Länder gezeigt. Dem Wunsch der CSU nach Regionalisierung steht auch die Einschätzung der Karlsruher Richter entgegen, die in ihrem Urteil feststellten, dass „ohne bundesgesetzliche Regelung eine Rechtszersplitterung mit nicht unerheblichen Nachteilen für Erblasser und Erwerber betrieblichen Vermögens wie auch für die Finanzverteilung zu befürchten wäre“.

Auch die Grünen und Linken, die wie die Sozialdemokraten die Einnahmen aus Steuern auf Erbschaften und Vermögen gern erhöhen würden, haben kein Interesse an einer Regionalisierung. „Die Erbschaftsteuer taugt nicht für einen Steuerwettbewerb zwischen den Ländern“, sagt die Grünen-Wirtschaftspolitikerin Kerstin Andreae. Und die Finanzfachfrau Lisa Paus ergänzt, es gehe nicht darum, mit einer Regionalisierung „neue Steuersümpfe“ aufzubauen. Die Länder bräuchten die Einnahmen für bessere Kitas, Schulen und Universitäten. Im Bundesrat ist die große Koalition derzeit auf Zustimmung aus Ländern angewiesen, in denen die Grünen mitregieren (was sich absehbar erst im Frühjahr 2016 ändern könnte, wenn es in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz zur Ablösung der rot-grünen Koalitionen kommen sollte; die Wahlen in Hamburg und Bremen im kommenden Jahr werden in keinem Fall zu einer schwarz-roten Mehrheit in der Länderkammer führen). Zwar will die SPD im Bundestag sich an den Koalitionsvertrag halten, der keine Erhöhungen der Steuer vorsieht. Das dürften auch gemäßigte Grüne wie der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann mit Blick auf seinen Mittelstand im Land unterstützen. Dennoch könnte das rot-rot-grüne Mehrheitslager im Bundesrat versuchen, mehr als nur kleinere Korrekturen durchzusetzen.

Gegenposition der Union

In der Union wird deshalb für alle Fälle bereits eine Gegenposition aufgebaut. Das Verfassungsgericht hat Bundestag und Bundesrat Zeit bis zum 30. Juni 2016 gegeben, die Regelungen für Betriebserben zu ändern. In Söders Ministerium und auch bei den Mittelständlern der Union wird eine Passage des Karlsruher Urteils nun so interpretiert, dass ohne Einigung bei den vom Gericht geforderten Änderungen für Betriebserben bis Mitte 2016 die Erbschaftsteuer danach auch bei privaten Erbschaften oder Schenkungen nicht mehr erhoben werden darf. Sonst liege ein Verstoß gegen den Artikel 23 des Grundgesetzes, also gegen den Gleichheitsgrundsatz, vor. Dann hätten die Länder, so die Lesart, gar keine Einnahmen aus der Steuer mehr. Das könnten auch SPD und Grüne nicht wollen, sagt Wolfgang Steiger vom CDU-Wirtschaftsrat.

 Einnahmen werden wieder sinken

Wie die Einnahmen aus der Steuer sich entwickeln werden, ist derweil unklar. 2014 wird es zwar zu Rekordeinnahmen in Höhe von geschätzt 5,4 Milliarden Euro kommen, nach gut 4,6 Milliarden Euro im Vorjahr. Das dürfte aber daran liegen, dass Betriebsübertragungen mit Blick auf das Karlsruher Urteil vorgezogen wurden. Allein im November stiegen die Einnahmen aus der Erbschaftsteuer um 18,9 Prozent. Die Familienunternehmerverbände empfehlen, bis Mitte 2016 Betriebsübertragungen zurückzustellen, bis Klarheit herrsche, weshalb die Einnahmen 2015 sinken dürften. Die Steuerschätzer gehen in ihrer Prognose für das kommende Jahr denn auch nur noch von 4,9 Milliarden Euro aus, für 2016 haben sie 4,8 Milliarden Euro eingeplant.

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