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Der türkische Regierungschef Erdogan will in Berlin die Solidarität im Syrien-Konflikt einfordern.

© dpa

Erdogan auf Deutschland-Besuch: Probleme im Gepäck

Der türkische Regierungschef Erdogan weiht Dienstag Abend in Berlin die neue türkische Botschaft ein. Der Besuch erfolgt zu einem ungünstigen Zeitpunkt: Kurdische PKK-Rebellen könnten die Türkei in den syrischen Bürgerkrieg hineinziehen.

Der Konflikt in Syrien und das Kurdenproblem überschatten den an diesem Dienstag beginnenden zweitägigen Besuch des türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan in Berlin. Kurz vor Erdogans Abreise aus Ankara erhielt der Bürgerkrieg in Syrien eine neue gefährliche Dimension: Zum ersten Mal lieferten sich syrisch-arabische Aufständische im Norden des Landes blutige Auseinandersetzungen mit syrischen Kurden – die Gefechte kosteten 30 Menschen das Leben.

Die kurdische Rebellengruppe der PKK drohte daraufhin mit militärischen Gegenmaßnahmen. Aus den Kämpfen zwischen Regimegegnern und syrischen Regierungstruppen haben sich die Kurden bisher weitgehend herausgehalten. Aber jetzt droht eine Konfrontation zwischen den Kurden und den vorwiegend aus Arabern bestehenden syrischen Rebelleneinheiten. Ein syrischer Oppositionsvertreter sprach am Montag von einer „sehr gefährlichen Entwicklung“.

Erdogan will an diesem Dienstag in Berlin die neue türkische Botschaft – die größte Auslandsvertretung des Landes überhaupt – einweihen und am Mittwoch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zusammenkommen. Das Thema PKK hatte sich bereits vor Wochen als potenziell kontroverser Gesprächsbereich abgezeichnet. Erdogan bezichtigte Deutschland und Frankreich öffentlich, sie wollten eine Lösung des Kurdenkonflikts in der Türkei verhindern. Zur Untermauerung seines Vorwurfs verwies Erdogan darauf, dass die Kurdenrebellen weiter in beiden Ländern Geld eintreiben können.

Klagen über einen zu nachsichtigen Umgang mit der PKK gehören seit langem zur türkischen Kritik an den Europäern. Der Bürgerkrieg in Syrien hat die Bedrohung durch die PKK aus Sicht Ankaras aber noch einmal verstärkt.

Nach Einschätzung der türkischen Regierung und der syrischen Exilopposition versucht die PKK von ihrem Hauptquartier im Nordirak aus, ihre Präsenz im Norden Syriens auszubauen. Hauptinstrument ist dabei die Partei der Demokratischen Union (PYD), der syrische Ableger der PKK.

Am vergangenen Freitag lieferten sich syrisch-arabische Aufständische und Trupps der PYD zum ersten Mal ernsthafte Feuergefechte. Dabei seien 30 Menschen getötet worden, teilte die Syrische Beobachtungsstelle für Menschenrechte mit. Die Araber nahmen demnach 120 Kurden gefangen, ließen sie inzwischen aber wieder frei.

Von einer Lösung des Konflikts ist die Türkei weit entfernt

Nach den Gefechten warnte der von der PKK dominierte kurdische Dachverband Union der Gemeinschaft Kurdistans (KCK) die syrischen Aufständischen davor, „im Vertrauen auf den türkischen Staat“ gegen die Kurden in Syrien vorzugehen. Falls nötig werde die KCK „militärische Unterstützung“ leisten.

Ein noch stärkeres Eingreifen der PKK könnte eine neue, arabisch-kurdische Front im Bürgerkrieg entstehen lassen und mittelfristig auch die benachbarte Türkei in den Konflikt hineinziehen. Nach türkischen Medienberichten hat die PKK in Syrien einige Grenzposten von den Regierungstruppen des syrischen Präsidenten Baschar al Assad übernommen.

„Die PKK und ihre Schwesterorganisation PYD sind für das Regime und gegen die Revolution“, sagte Bassam Imadi vom Oppositionsverband Syrischer Nationalrat (SNC) am Montag in Istanbul dem Tagesspiegel. Die Gefechte in Aleppo, wo sich Kurden und Rebellen stundenlange bewaffnete Auseinandersetzungen lieferten, bergen nach seinen Worten das Risiko einer Ablenkung vom eigentlichen Ziel – dem Sturz Assads. Die Türkei werde wohl kaum untätig zusehen, wenn die PKK ihre Position in Nord-Syrien immer weiter ausbaue, sagte Imadi.

Erdogan hatte schon im Sommer mit Militärschlägen gegen die PKK in Syrien gedroht. Auch der Einschlag mehrerer Artilleriegranaten aus Syrien hat die Gefahr einer Intervention durch das Nato-Mitglied Türkei im Nachbarland erhöht. In Berlin dürfte Erdogan bei Merkel erneut die Solidarität Deutschlands im Syrien-Konflikt einfordern.

Für die PKK ist der Syrien-Konflikt eine Gelegenheit, ihren Alleinvertretungsanspruch für alle Kurden in der Region zu unterstreichen. „Das ganze kurdische Volk steht hinter dem Volk in West-Kurdistan“, erklärte die KCK mit Blick auf den Norden Syriens. Die Organisation warf der Türkei vor, sie habe die Spannungen in Aleppo provoziert.

Von einer Lösung des Konfliktes mit den Kurden ist die Türkei indes weit entfernt. Derzeit befinden sich mehrere hundert kurdische Häftlinge in türkischen Gefängnissen im Hungerstreik, um bessere Haftbedingungen für PKK-Gründer Abdullah Öcalan durchzusetzen.

In Berlin wollen Kurdengruppen, aber auch Aleviten und Armenier gegen den Besuch Erdogans demonstrieren. Der türkische Premier stehe für eine „kriegstreiberische Politik“ in Syrien und sei „ein Feind der kurdischen Bevölkerung“ sowie der „Andersgläubigen“, hieß es in einem Demonstrationsaufruf mehrerer Organisationen.

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