zum Hauptinhalt

Politik: Erdogan warnt Merkel vor historischem Fehler Kanzlerin schwächt Drohung gegenüber Türkei ab

Polens Präsident will keine zusätzlichen Hürden

Mettlach/Berlin/Istanbul - Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat ihren umstrittenen Vorschlag abgemildert, einen Teil der EU-Beitrittsgespräche mit der Türkei 18 Monate lang oder gebenenfalls auch länger auszusetzen. Nach den deutsch-französisch-polnischen Konsultationen des sogenannten Weimarer Dreiecks wiederholte Merkel am Dienstag den Vorschlag einer „Revisionsklausel“ nicht mehr. Nach dieser Klausel müssten die Staats- und Regierungschefs der EU nach einer Frist von 18 Monaten entscheiden, ob die Verhandlungen mit der Türkei wieder aufgenommen werden. Stattdessen forderte die Kanzlerin gemeinsam mit Polens Präsident Lech Kaczynski und Frankreichs Staatschef Jacques Chirac im saarländischen Mettlach, dass die EU-Kommission zwischen Herbst 2007 und Frühjahr 2009 einen Bericht zum Stand der Beitrittsfähigkeit der Türkei vorlegen soll.

Merkels ursprünglicher Vorschlag, für die Entscheidung über die weiteren Beitrittsverhandlungen mit der Türkei eine Frist zu setzen, stieß in Brüssel auf deutliche Ablehnung. Eine Sprecherin von Erweiterungskommissar Olli Rehn sagte, dass Ultimaten in der Vergangenheit „keinerlei Resultat gebracht“ hätten. Auch in Berlin löste Merkels Vorstoß Diskussionen aus. Die Vizefraktionschefin der SPD, Angelica Schwall-Düren, verlangte im dpa-Gespräch eine Koalitionsabsprache zu dem Vorstoß der Kanzlerin.

Bei dem Treffen des Weimarer Dreiecks im Saarland sprachen sich Merkel und Chirac für eine harte Haltung gegenüber Ankara aus. „Es ist etwas nicht passiert, was wir erwartet haben“, sagte Merkel unter Anspielung auf die Weigerung der Türkei, ihre Häfen und Flughäfen für Güter des EU-Mitglieds Zypern zu öffnen. Wegen dieser Weigerung hatte die EU-Kommission vor einer Woche empfohlen, die Türkeigespräche teilweise auszusetzen. Polens Präsident Kaczynski wandte sich bei dem Dreiertreffen allerdings dagegen, zusätzliche Hürden für die Türkei aufzubauen.

Der türkische Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan warnte nach einem Telefonat mit Merkel vor einem „historischen Fehler“ der EU. „Das ist Erpressung“, verlautete am Dienstag in türkischen Regierungskreisen zu dem deutsch-französischen Vorstoß. Hinter den Kulissen bereitet die türkische Regierung verschiedene Reaktionen vor. Die Option, den Tisch der EU-Beitrittsverhandlungen ganz zu verlassen, gehört aber offenbar nicht dazu.

Im Kreise der 25 EU-Regierungen sind nun mehrere Dinge umstritten: Zypern als härtestem Gegner eines Türkeibeitritts sind die Vorschläge der EU-Kommission zu weich. Es fordert wie einige andere EU-Staaten ein deutlicheres Signal an Ankara, bis hin zu einem völligen Einfrieren der Verhandlungen. Andere EU-Länder wie Großbritannien haben eher ein Problem damit, dass die Kommission und nicht die EU-Regierungen entscheiden sollten, wie es in den Beitrittsverhandlungen weitergeht. Weil absehbar war, dass Änderungen an den Kommissionsvorschlägen nötig sein würden, hatte Merkel bereits vergangene Woche mit einigen Partnern über die Idee einer Revisionsklausel gesprochen – die aber etwa für die beitrittsfreundlichen Briten kaum akzeptabel sein dürfte. Beschlüsse sollen auf dem EU-Gipfel am 14. und 15. Dezember fallen. (mit HB)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false