zum Hauptinhalt

Politik: Erdogan will nicht aufgeben

Türkei hofft nach der Empfehlung zur teilweisen Aussetzung der Beitrittsgespräche auf den EU-Gipfel

Die Türkei ist über den Teilstopp der Beitrittsverhandlungen mit der Europäischen Union verärgert, will aber alles daran setzen, bis zum Gipfel Mitte Dezember noch Verbesserungen in ihrem Sinne zu erreichen. „Inakzeptabel“ sei die Empfehlung der EU-Kommission, wetterte Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, den die Kunde vom Brüsseler Beschluss am Mittwochmittag beim Nato-Gipfel in Riga erreichte. Bei seiner Rückkehr in die Türkei am Abend hatte sich Erdogan gefasst und demonstrierte Gelassenheit: Es gebe noch keine Entscheidung der EU, sondern lediglich eine Empfehlung der Kommission, sagte er.

Türkische Medien berichteten aus Riga, Erdogans Mannschaft dort sei von sechs Verhandlungskapiteln ausgegangen, die wegen des Streits um die Hafenöffnung ausgesetzt werden könnten. Mit acht Kapiteln habe niemand gerechnet. Auch deshalb sei Erdogan so erbost gewesen. Der Premier stürzte sich in eine ganze Serie von bilateralen Gesprächen mit EU-Politikern, die ebenfalls in Riga waren. Auch mit Bundeskanzlerin Angela Merkel kam er zusammen. Der italienische Ministerpräsident Romani Prodi sagte Erdogan demnach zu, sich in den kommenden zwei Wochen innerhalb der EU für die Türkei einzusetzen.

Die Türkei will ihre Häfen für die griechischen Zyprer erst dann öffnen, wenn die EU ihren Handelsboykott gegen die türkischen Zyprer lockert. Das hatte Brüssel vor zwei Jahren zugesagt. „Wir verlangen nichts weiter, als dass die EU sich an ihre eigenen Beschlüsse hält“, sagte Erdogan-Berater Egemen Bagis. Noch sei aber nichts entschieden: „Das Interessante ist der Gipfel“, sagte Bagis mit Blick auf das Treffen der Staats- und Regierungschefs am 15. Dezember. „Unsere Bemühungen werden weiter gehen.“ Die Tatsache, dass der finnische Ministerpräsident und amtierende EU-Ratspräsident Matti Vanhanen noch in dieser Woche nach Ankara kommen will, ist ein Zeichen dafür, dass das letzte Wort in dieser Angelegenheit womöglich noch nicht gesprochen ist.

Erdogan betonte, der Weg der Türkei in die EU sei eben lang. Ziel sei es, den Lebensstandard der Türken zu verbessern, ihnen mehr Freiheit und Wohlstand zu sichern. Auch sein Berater Bagis schloss aus, dass die Türkei die EU-Verhandlungen komplett abbrechen werde: „Wir werden nicht vom Tisch aufstehen.“ Türkische EU-Experten weisen bereits seit Wochen darauf hin, dass ein Teilstopp der Beitrittsverhandlungen wegen Zypern an der tatsächlichen Situation der Verhandlungen nichts ändern werde, weil das EU-Mitglied Zypern schon jetzt jeden Fortschritt per Veto verhindere. Dass die Türkei nun aber für ihr Nein zur Hafenöffnung offiziell bestraft werden soll, gibt dem Streit eine neue Dimension. Der Europaforscher Emre Gönen warf der EU eine „offene Provaktion“ vor, auf die die Türkei besonnen reagieren müsse. Vielleicht auch deshalb verschob der türkische Außenminister Abdulla Gül eine für den 7. und 8. Dezember geplante Reise nach Griechenland.

Wie Ankara bis zum Gipfel einen Ausweg im festgefahreren Streit um die Hafenöffnung finden will, ist derzeit völlig unklar. Vermittlungsbemühungen der finnischen Ratspräsidentschaft waren am Montag gescheitert.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false