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Die AfD-Verantwortlichen befinden sich nach Hanau und Erfurt in der Defensive.

© Sonja Wurtscheid/dpa

Erfurt und die Folgen: Die AfD in der Sackgasse

Seine Partei feierte Höckes „Coup“ in Erfurt. Doch das Manöver könnte der AfD langfristig schaden. CDU und FDP grenzen sich deutlich stärker ab. Eine Analyse.

Es ist die Szene, die von der Ministerpräsidentenwahl im Thüringer Landtag diese Woche wohl am deutlichsten in Erinnerung bleiben wird: Wie der AfD-Fraktionschef Björn Höcke auf den frisch gewählten Ministerpräsidenten Bodo Ramelow zugeht, die Hand ausstreckt – und abgewiesen wird. Ramelow will ihm nicht die Hand geben. „Sie sind die Brandstifter in diesem Saal“, ruft er in seiner Rede in Richtung der AfD-Abgeordneten.

Der verweigerte Handschlag steht sinnbildlich für eine Entwicklung, die seit dem Erfurter Beben Anfang Februar zu beobachten ist. Innerhalb der AfD wurde es zwar als „Coup“ gefeiert, dass Björn Höcke und seine Truppe dem FDP-Mann Thomas Kemmerich ins Amt halfen und die Politik ins Chaos stürzten. Doch die anderen Parteien grenzen sich seitdem noch stärker als bislang von den Rechten ab. Selbst aus den Reihen von CDU und FDP, wo man sich mit solchen Begriffen lange zurück hielt, ist in Bezug auf die AfD von „Nazis“ und „Faschisten“ die Rede.

Befeuert wurde das durch den rechtsextremen Anschlag in Hanau, für den Politiker aller anderen Parteien der AfD eine Mitschuld geben. In der Kombination haben Hanau und Erfurt ein Umdenken im Umgang mit der AfD verursacht. Und in der Rechtsaußenpartei fragen sich nun manche, ob man sich in eine Sackgasse manövriert hat.

Erstmals öffentlich gemacht hatte das der Berliner AfD-Fraktionschef Georg Pazderski Anfang der Woche im Tagesspiegel. Er sagte, das Vorgehen der AfD in Thüringen habe die Lage der AfD insgesamt verkompliziert, weil sich CDU und FDP stärker von der AfD abgrenzten. In einem Papier, das Pazderski verfasst hat, ist die Rede von einem „strategischen Kollateralschaden“.

Tolerierung in Sachsen-Anhalt ist eher unwahrscheinlicher geworden

Tatsächlich könnte die AfD in Thüringen das schon bald zu spüren bekommen. Denn sie hat ja im Erfurter Landtag zusammen mit CDU und FDP de facto eine Mehrheit. Eine Woche vor dem Thüringer Beben war zum Beispiel im Erfurter Landtag über Windkraftanlagen debattiert worden – die AfD will ein komplettes Moratorium, CDU und FDP wollen den Windkraftausbau im Wald stoppen. In der anschließenden Abstimmung wurden nicht nur die Gesetzesentwürfe von CDU und FDP an den zuständigen Ausschuss überwiesen, sondern auch der Antrag der AfD – mit den Stimmen von FDP und CDU. Der Vorgang blieb von der Öffentlichkeit unbemerkt. Die AfD hätte später dem von CDU und FDP gewünschten Windkraftstopp im Wald zustimmen und zur Umsetzung verhelfen können. Doch nach der Entwicklung der vergangenen Wochen ist es schwer vorstellbar, dass die drei Parteien künftig ihre Mehrheit nutzen, ohne dass es einen Aufschrei gibt.

Auch der Plan der AfD, demnächst mit der Tolerierung einer Minderheitsregierung eine spätere Regierungsbeteiligung in einem östlichen Bundesland vorzubereiten, dürfte nun erstmal ins Leere laufen. Auch wenn es in Sachsen-Anhalt, wo kommendes Jahr gewählt wird, einige CDU-Politiker gibt, die sich eine Zusammenarbeit mit der AfD wünschen: Dass sich die Konservativen dort von der AfD tolerieren lassen würden, ist nach dem Beben von Erfurt eher unwahrscheinlicher geworden.

Kein Wort mehr von einer rassistischen Tat

Schon länger wird in der AfD diskutiert, ob die Partei eine gemäßigtere Sprache verwenden und sich stärker von Rechtsaußen abgrenzen soll. Nach Hanau ist die Diskussion wieder aufgeflammt. Doch viele in der Partei haben an tatsächlicher Mäßigung offenkundig kein Interesse. Das zeigt auch der Umgang mit dem Vorstoß des Vorsitzenden Tino Chrupalla. Der veröffentlichte am Wahltag in Hamburg einen offenen Brief an alle Mitglieder, den auch sein Co-Chef Jörg Meuthen unterzeichnete. Darin nannte er den Anschlag in Hanau ein „rassistisches Verbrechen“. „Wir müssen uns auch fragen, warum es unseren politischen Gegnern gelingt, uns überhaupt mit solch einem Verbrechen in Verbindung zu bringen“, hieß es da. Schon kurz danach soll Meuthen intern vom Inhalt des Briefes abgerückt sein. Wie wenig man von einem Selbstreflexionsprozess hält, wurde auch bei der Bundestagsdebatte zu Hanau deutlich. Der AfD-Innenpolitiker Gottfried Curio sagte dort über den Täter: „Er war verrückt und der AfD soll es in die Schuhe geschoben werden.“ Kein Wort mehr von einer rassistischen Tat. Sein Kollege Roland Hartwig verwies auf den Linksextremismus.

Die AfD befindet sich gegenwärtig in einer Zwickmühle. Parteistrategen predigen zwar, die Partei müsse ihre Wähler in der „bürgerlichen Mitte“ suchen, sonst werde sie über die aktuellen Umfragewerte von zehn bis 15 Prozent kaum hinaus kommen. Doch wenn Höcke wie kürzlich bei Pegida auftritt, sendet das ein anderes Signal. Und auch beim sächsischen Landesparteitag in Weinböhla am vergangenen Wochenende zeigte sich, dass viele in der AfD mit verbaler Abrüstung nichts anfangen können.

Einzig die drohende Beobachtung durch den Verfassungsschutz scheint die Radikalen nicht ganz kalt zu lassen: Nachdem Höcke intern aufgefordert wurde Stellung zu nehmen zu einer Reihe seiner Aussagen, die im Verfassungsschutzgutachten auftauchen, machte er seine „Klarstellungen“ nun auch auf Facebook öffentlich. Da heißt es jetzt unter anderem über eine Aussage zum Islam, damit sei keine „auf Menschen bezogene pauschale Negativattributisierung gemeint“ gewesen. Solche Sätze hört man von Höcke sonst eher selten. Mehr als eine Rechtfertigung seiner Aussagen ist es aber auch nicht.

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