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Politik: Ergänzen oder neu verhandeln?

Merkel will nun doch ein Wachstumspaket zum Fiskalpakt – SPD-Linken und Hollande reicht das nicht.

Berlin - Für die SPD ist es ein kleiner Triumph. Mit ihrer Ankündigung einer EU-Wachstumsinitiative gestehe Bundeskanzlerin Angela Merkel ein, in ihrer bisherigen Sparpolitik „krachend gescheitert“ zu sein, verkündete Parteichef Sigmar Gabriel am Sonntag. Nach Merkels Schwenk sei absehbar, dass der geplante Fiskalpakt für strengere Haushaltsdisziplin bald durch einen Pakt für Wachstum und Beschäftigung ergänzt werde. Nichts anderes habe die SPD gewollt.

Der französische Präsidentschaftskandidat François Hollande wertete die Äußerungen der Kanzlerin als Reaktion auf sein Drängen. „Vor ein paar Wochen wollte Merkel noch nicht einmal das Wort Wachstum hören, sie redete nur übers Sparen“, sagte der Sozialist im französischen Rundfunk. Nun gerieten „die Dinge in Bewegung und das wird nach der Wahl in Frankreich noch stärker werden“. Die Kanzlerin sei in Erwartung eines Wahlsiegs von Hollande „umgefallen“, kommentierte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Thomas Oppermann. Weil Merkel aber so lange für diese Einsicht gebraucht habe, sei die für Ende Mai geplante Abstimmung im Bundestag über den Pakt nun nicht mehr zu schaffen.

Tatsächlich hält sich Merkels angeblicher Schwenk in Grenzen. Die Kanzlerin kündigte zwar an, die strengen Sparvorgaben des Fiskalpakts bis Juni durch eine neue Initiative für Wachstum und Beschäftigung zu ergänzen. Gleichzeitig betonte sie aber, den Pakt an sich nicht wieder aufschnüren und mit der Initiative keinesfalls wieder ein „Wachstum auf Pump“ anregen zu wollen. Nachverhandlungen etwa über die europäische Schuldenbremse kämen nicht infrage.

Der europäische Fiskalpakt schreibt allen 25 Teilnehmerstaaten eine verbindliche Schuldenbremse vor – vorzugsweise mit Verfassungsrang. Wer dagegen verstößt, wird automatisch mit Strafen belegt. In Deutschland müssen Bundestag und Bundesrat dem Pakt jeweils mit Zweidrittelmehrheit zustimmen, deshalb will Merkel auch die SPD ins Boot holen. Doch die stellt Bedingungen. Wie Hollande fordern die Sozialdemokraten einen ergänzenden Wachstumspakt. Zudem verlangen sie, die Finanzmärkte stärker zu besteuern.

Merkel sagte der „Leipziger Volkszeitung“, für den EU-Gipfel im Juni sei eine „Wachstums-Agenda“ in Vorbereitung. Sie verwies zudem darauf, dass das Geld aus den Strukturfonds schon jetzt flexibler ausgeschüttet werden könnte. Denkbar sei auch, die Möglichkeiten der Europäischen Investitionsbank zu verstärken. Gabriel kritisierte, dass Merkel bei der Krisenbewältigung in Europa bislang ausschließlich aufs Sparen setze. „Seit zwei Jahren weigert sie sich, etwas für das Wachstum zu tun und die Finanzmärkte an den Kosten der Krise zu beteiligen. Seit zwei Jahren sagen alle Experten: Diese Politik wird die Krise nicht lösen, sondern verschärfen.“ Auch der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD) nannte den Fiskalpakt nicht ausreichend, um Europa dauerhaft aus der Krise zu bringen.

Die SPD-Linke lehnt den Fiskalpakt rundweg ab. Das Vorhaben gefährde „Recht, Demokratie, politischen Zusammenhalt und sozialen Frieden in der Europäischen Union und seinen Mitgliedsstaaten“, heißt es in einem vierseitigen Papier, das bei der Frühjahrstagung der Parteigruppierung Demokratische Linke (DL) 21 verabschiedet wurde. Es sei „keine umfassende Antwort auf die Schuldenkrise“, sondern „allenfalls dazu geeignet, die Schuldenaufnahme mit der Brechstange einzudämmen“. Statt weiterer Kürzungen brauche es einen Stabilitäts- und Wachstumpakt, für dessen Finanzierung „alle denkbaren Instrumente“ geprüft werden müssten – darunter auch „die Erhebung einer einmaligen Vermögensabgabe“.

„Unsere Position ist klarer als die der Gesamtpartei“, sagte die DL-Vorsitzende Hilde Mattheis dem Tagesspiegel, „nachbessern geht nicht“. Der Pakt sei ein „umfassender Eingriff in die Budgethoheit“ der Volksvertretungen und setze auf pure „Sparpolitik, mit der die Spaltung der Gesellschaft in ganz Europa weiter vorangetrieben wird“. Die Folge wären „noch mehr Arbeitslosigkeit“, geringere Steuereinnahmen und damit eine weitere Verschärfung der wirtschaftlichen und sozialen Krise, der man ja eigentlich begegnen wolle. Das komplette Vorhaben müsse neu verhandelt werden.

Dieser Ansicht ist auch Hollande. Euro- Gruppenchef Jean-Claude Juncker hält davon jedoch herzlich wenig. Er werde mit Hollande reden, sagte Juncker der „Welt am Sonntag“. Die Vorstellung, den Vertrag von Grund auf neu zu verhandeln und bisherige substanzielle Elemente herauszunehmen, sei nicht mehr als eine Wunschvorstellung. (mit dapd/rtr)

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