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Politik: Erlaubt ist, was klappt

Von Malte Lehming

Wir denken uns in eine Sackgasse. Das Fatale wird fatalistisch akzeptiert. CDU und FDP verlieren in den Umfragen ihre Mehrheit. Die Wende verkümmert zum Wechsel. Das liegt am TVDuell und an Paul Kirchhof. Auf den letzten Metern keucht die Opposition, und mit einer personellen Provokation – vom Lockvogel zur Vogelscheuche – hat sie die Regierung wider Willens gestärkt. Nun geht die politische Logik so: Schröder wird abgewählt, Merkel die neue Kanzlerin, und dann kommt die große Koalition. Was sonst? Diese große Koalition indes, auch das betont fast jeder, wäre nicht gut für Deutschland. Merkel angeschlagen, die SPD gerupft, das bedeutet Phlegma, Ödnis, Stillstand. Aber so ist das nun mal. Wer über anderes nachdenkt, führt eine Gespensterdebatte. Schwarz-Grün, Schwarz- Gelb-Grün, Rot-Gelb-Grün: Das geht alles nicht. Zu früh sei das, zu revolutionär, zu unvereinbar, zu ungewohnt.

Das stimmt. Aber es führt nicht raus aus der Sackgasse. Darum ist das Träumen inzwischen eine Art Pflicht geworden. Wer etwas bewegen will, sollte flexibel bleiben. Die eigene Klientel bedienen muss zwar jeder Politiker. Aber sich abschotten von Gestaltungsmöglichkeiten, das muss keiner. Die Grünen, heißt es, können auf Bundesebene nicht mit den Schwarzen paktieren. Ein Großteil ihrer Wähler riefe Verrat. Dann wären sie endgültig keine Linkspartei mehr, hätten das Geklammere an die Macht über ihre Prinzipien gestellt. Das darf ungestraft nur die FDP, tönt es spöttisch, denn die hat keine Moral. Die Grünen aber verstehen sich als sehr moralisch. Darum Nein!, mit Merkel nicht.

Doch uns sitzt das Traum-Teufelchen im Ohr: Der Union täte ein Quäntchen Ökologie ganz gut. Und die Grünen sind in sieben Jahren ministrabel geworden. Innovation, Modernisierung, Gentechnik: Auf diesen Gebieten sind die Parteien sich nahe. In mehr als 30 Kommunen in mehreren Bundesländern funktioniert die schwarz-grüne Zusammenarbeit. Vielerorts ist sie mehr als eine Notgemeinschaft. Mit Kosovo, Afghanistan und Otto Schily zu leben, haben die Grünen gelernt. Womit sollte Merkel sie noch quälen, dass es unerträglich wäre? Schily war okay, Beckstein wird zu viel? Vielleicht ist es anders: Das Mitregieren bietet Profilierungschancen. Wer sonst als ein grüner Koalitionspartner soll Merkel zwingen, fristgerecht am Atomausstieg festzuhalten? Wer sonst könnte beim Klonen und in der Stammzellforschung gemeinsam mit der CDU Akzente setzen?

Etwas pikanter wäre zweifellos Schwarz-Gelb-Grün. Denn Grüne und FDP sind wie Feuer und Wasser. Joschka Fischer und Guido Westerwelle mögen einander ungefähr ebenso gern wie Schröder und Lafontaine. Doch kleinere Parteien in einer Koalition können durchaus divers sein. Wenn sie sich nicht überschätzen, kann die Arbeit trotzdem funktionieren. Ja, so ließe sich weiter spekulieren. Warum nicht Rot-Gelb-Grün? Warum nicht gar Rot-Rot-Grün? Natürlich hagelt es Dementis. Das geht nicht. Das zerreißt uns. Ach, wirklich?

Ja, wirklich. Bislang fantasieren nur ein paar Teufelchen. Wenn es zu Schwarz-Gelb nicht reicht, kommt darum höchstwahrscheinlich jene große Koalition, die keiner wollen kann. Denn die Parteien sind starr, womöglich starrer als viele Wähler. Bloß keine Risiken, keine Wagnisse. Insofern symbolisieren sie einen Teil der Misere im Land, die zu bekämpfen sie vorgeben. Das ist bitter – und zu wahr, um schön zu sein. Schön sind nur die Träume.

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