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Der Präsident des Bundesamts für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen.

© dpa

Ermittlungen gegen Netzpolitik.org: Der Verfassungsschutz will sich schützen, nicht die Verfassung

Presse- und Meinungsfreiheit sind konstitutive Elemente der Demokratie und der Verfassung. Die Strafanzeige des Verfassungsschutzes gegen das Portal Netzpolitik.org aber bestätigt, dass der Dienst und sein Präsident Maaßen vor allem sich selbst schützen und Journalisten einschüchtern wollen.

Netzpolitik.org – ein Blog für „politische, gesellschaftliche, technische und kulturelle Fragestellungen auf dem Weg in eine digitale Gesellschaft“. Ein Blog als „Plattform für digitale Freiheitsrechte“. Ein Blog, geehrt von der Standortinitiative „Deutschland – Land der Ideen“, unterstützt und gefördert von der deutschen Wirtschaft und der Bundesregierung.

Ein Blog, preisgekrönt, weil er „seit über zehn Jahren den netzpolitischen Diskurs in Deutschland prägt und zu einer wichtigen Stimme in der Medienlandschaft geworden“ ist. Ein Blog, auf den der Bundespräsident eine rühmende Rede hält.

Markus Beckedahl, Gründer des Portals Netzpolitik.org
Markus Beckedahl, Gründer des Portals Netzpolitik.org

© dpa/Britta Pedersen

Ein Blog von Landesverrätern, wenn es nach dem Präsidenten des Bundesamts für Verfassungsschutz geht. Hans-Georg Maaßen hat Strafanzeige gestellt, damit der Generalbundesanwalt gegen die Betreiber von Netzpolitik.org ermittelt – gegen Journalisten. Das wäre das erste Mal seit mehr als einem halben Jahrhundert. Zu Recht?

Zu Unrecht. Bei der Beurteilung geht es auch um das, was sich hinter der Strafanzeige verbirgt: Es geht um die Einschüchterung von Journalisten, die solche Dokumente in die Öffentlichkeit bringen, von denen die, die im Geheimen arbeiten, wollen, dass sie im Dunkeln bleiben; denn bei einer Veröffentlichung geraten sie in ein schlechtes Licht.

Verhinderung missliebiger Berichterstattung

Es geht um die Verunsicherung von Journalisten, deren Themen die höchst umstrittenen auf unser aller Weg in die digitale Gesellschaft sind: die Vorratsdatenspeicherung, die Überwachung im Netz, die ausgedehnt werden soll, die digitalen Bürgerrechte, der Datenschutz. Es geht um Journalisten, die den Untersuchungsausschuss des Bundestags zur republikweiten Ausspähung durch den US-Geheimdienst NSA verfolgen. Kurz: Es geht um Journalisten weit über Netzpolitik.org hinaus, die jetzt ihrerseits verfolgt werden, weil sie tun, was sie tun.

Und sie tun es auf Grundlage der Verfassung, die der Verfassungsschutz zu schützen beauftragt ist. Die Presse- und Meinungsfreiheit im Verfassungsartikel 5, Absatz 1: „Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.“

Die Verfassungsschützer wollen gerade offenkundig zuallererst sich schützen. Wollen missliebige Berichterstattung für die Zukunft verhindern. Deswegen soll eine Zensur stattfinden? Allein schon mit diesem Vorsatz tun sie der Aufgabe des kritischen Journalisten unrecht.

Außerdem ist es eine Anmaßung. Presse- und Meinungsfreiheit sind konstitutives Element der Demokratie, hierzulande seit dem Hambacher Fest von 1832. Es waren damals Journalisten, die das forderten. Die für ihre Überzeugung auch ins Gefängnis gingen. Journalisten, die nicht willfährig vor der Obrigkeit ihr Haupt beugten. Die Folge war, so kann man heute mit Fug und Recht sagen, ein besserer Staat.

Wird der Staat heute besser durch diesen Angriff auf Journalisten von einem Verfassungsschutz, der bei der NSU-Affäre versagt hat? Der in der NSA-Affäre versagt hat?

Der Generalbundesanwalt wartet jetzt doch lieber ein Gutachten ab. Zur eigenen Blamage. Der Verfassungsschutz hätte sich die Strafanzeige versagen sollen. Sie bestätigt das Urteil über ihn.

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