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SPD-Chef Sigmar Gabriel steht vor seiner ersten Belastungsprobe als Vize-Kanzler.

© dpa

Ermittlungen gegen Sebastian Edathy: Keinerlei Fehlverhalten?

Die SPD-Spitze versucht sich in Schadensbegrenzung. Wie will sie die Affäre um Sebastian Edathy durchstehen?

Von
  • Robert Birnbaum
  • Hans Monath

In der Union ist der Groll auf die Sozialdemokraten übers Wochenende nicht abgeklungen. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn untertreibt eher mit der Feststellung, es gebe in seiner Fraktion ein „Grundunbehagen“ darüber, dass der CSU-Minister Friedrich zurücktreten musste, bei der SPD aber alles ohne Konsequenzen bleiben soll. Die Sozialdemokraten sehen das selbstverständlich anders.

Was genau wirft die Union der SPD vor?

Darüber gehen die Meinungen in der Union auseinander. Aber selbst solche Unionspolitiker, die keine strafrechtliche Verfehlung bei SPD-Chef Sigmar Gabriel oder SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann sehen, kritisieren doch so etwas wie Verstoß gegen die Kameradschaft: Warum musste Oppermann den ganzen Vorgang öffentlich machen? Drohten womöglich Schlagzeilen der Art „SPD-Spitze (alles Niedersachsen) wussten seit langem von Vorwürfen gegen Edathy (Niedersachsen)“? Hat der erfahrene Jurist Oppermann den Fehler Friedrichs geoutet, um die SPD vor publizistischem Kugelhagel zu bewahren?

CSU-Chef Horst Seehofer fordert jedenfalls nach wie vor eine „Erklärung“ für das Verhalten Oppermanns, und wenn die dann vorliege, werde die CSU Ende der Woche „Bilanz ziehen“. Was er nicht sagt, sagt sein Generalsekretär Andreas Scheuer. Oppermann trage die „politische Verantwortung“ für die schwere Krise der Koalition, für „Widersprüche“, „Wichtigtuerei“, „Vertrauensmissbrauch“. Kurz, so Scheuer: Ein SPD-Fraktionschef müsse in einer großen Koalition ein Stabilitätsanker sein – „und das ist Herr Oppermann nicht mehr“.

Der Mann, der das als Erster beurteilen könnte, schweigt übrigens bisher öffentlich zu der ganzen Affäre, was man in viele Richtungen deuten kann: Unionsfraktionschef Volker Kauder hat sich bisher nicht geäußert. Angela Merkel macht derweil weiter Druck in alle Richtungen: „Alle im Raum stehenden Fragen“ müssten geklärt werden, richtet Regierungssprecher Steffen Seibert aus: „Das ist noch nicht erledigt.“ Auf Nachfragen, was genau gemeint sei, reagiert Seibert ebenso einsilbig wie auf Erkundigungen danach, wer von den Leuten um die Kanzlerin herum womöglich ebenfalls vorzeitig von dem Fall Edathy wusste. Es braucht mehrere Anläufe, bis der Sprecher sich festlegt: „Es hat niemand im Kanzleramt etwas gewusst.“ Merkel selbst habe „keinerlei Erinnerung“ daran, dass sie vor dem letzten Dienstag – als die Ermittlungen gegen Edathy öffentlich wurden – von der Sache etwas erfahren haben könnte. Ob der seinerzeitige Kanzleramtschef Ronald Pofalla im Bilde war? Man möge ihn, sagt Seibert, selber fragen.

Eins allerdings hat Merkels Sprecher sofort klar und unzweideutig festgehalten: „Die Bundeskanzlerin hat volles Vertrauen in ihren Stellvertreter und Bundeswirtschaftsminister.“ Sigmar Gabriel ist der Dreh- und Angelpunkt dieser Regierungskoalition. Wenn die CDU-Chefin den SPD-Chef infrage stellt, kann sie das Bündnis gleich aufkündigen.

Wie will die SPD den Unmut dämpfen?

Das einzige Angebot, das die SPD der Union macht, ist ein emotionales: Sie streicheln die verletzte Seele des Koalitionspartners und hoffen, dass dieser sich schnell wieder beruhigt. Es sei verständlich, dass die Union „erzürnt, enttäuscht und verärgert“ sei über den Rücktritt von CSU-Minister Hans-Peter Friedrich , versicherte SPD-Chef Sigmar Gabriel am Montag nach den Sitzungen von Präsidium und Parteivorstand. „Menschlich höchst anständig“ und politisch vernünftig habe sich der CSU-Mann verhalten, als er Gabriel darüber informierte, dass im Rahmen von Ermittlungen im Ausland Edathys Name genannt worden sei, meinte der Parteivorsitzende. Selbst Parteivize Ralf Stegner, der gewöhnlich keine Gelegenheit auslässt, die Unterschiede zur Union zu betonen, schlug ähnlich versöhnliche Töne an.

Die SPD sieht bei ihren Spitzenleuten keinerlei Fehlverhalten

SPD-Chef Sigmar Gabriel steht vor seiner ersten Belastungsprobe als Vize-Kanzler.
SPD-Chef Sigmar Gabriel steht vor seiner ersten Belastungsprobe als Vize-Kanzler.

© dpa

Die Zuversicht der SPD, dass sich die Dinge damit schon wieder einrenken werden, stützt sich auf drei Überzeugungen: Bei den eigenen Spitzenleuten sieht die erweiterte Parteiführung keinerlei Fehlverhalten, den Unmut in der Union und speziell in der CSU hält sie für begrenzt und sie vertraut darauf, dass sich das gemeinsame Interesse beider Koalitionspartner an der Fortsetzung der gemeinsamen Arbeit gegen die Emotionen durchsetzt. Deshalb sieht die SPD auch keinen Anlass, die Union etwa durch ein Zugeständnis in einer Sachfrage zu besänftigen. „Die Frage stellt sich nicht“, sagte Gabriel dazu.

Die eigene Entscheidung, den damaligen Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier und den damaligen Parlamentsgeschäftsführer Oppermann über Friedrichs Warnung zu informieren, verteidigte Gabriel ebenso offensiv wie die öffentliche Erklärung Oppermanns zu seinem Umgang mit dem Verdacht gegen Edathy. „Wir haben Edathy nicht gewarnt“, versicherte Gabriel. Gegenteilige Unterstellungen seien „abwegig und diffamierend“. Es habe auch keine andere Möglichkeit als die Hinweise an Steinmeier und Oppermann gegeben, einen möglichen Aufstieg Edathys zu verhindern. Der Parteichef präsentierte auch einen möglichen anderen Hinweisgeber: Oppermann habe die Öffentlichkeit erst informiert, nachdem bei ihm Medienanfragen eingegangen seien, die sich auf belastbare Informationen „aus Sicherheitskreisen“ bezogen. Der Fraktionschef habe sich „absolut korrekt“ und „einwandfrei“ verhalten.

Ist Oppermann auf Dauer zu halten?

Politiker, die in Kritik geraten, sind in der Regel erst dann gefährdet, wenn sie den Rückhalt des eigenen Lagers verlieren. Dafür gibt es beim SPD-Fraktionschef bisher keinerlei Hinweis. Vielmehr stärkte die erweiterte Parteiführung dem Fraktionschef den Rücken. Im Parteivorstand gab es nach Angaben von Teilnehmern keine einzige kritische Bemerkung in seine Richtung, stattdessen nur Vertrauenserklärungen. Allerdings muss sich Oppermann im Bundestags-Innenausschuss erklären, ohne sich in weitere Widersprüche zu verwickeln. Die Behauptung seiner Erklärung vom Donnerstag, BKA- Chef Ziercke habe sich zu den Vorwürfen gegen Edathy verhalten, musste er inzwischen relativieren. Zudem hat der FDP-Politiker Wolfgang Kubicki Strafanzeige gegen Oppermann und Ziercke gestellt. Die Erfolgsaussichten gelten allerdings als bescheiden.

Wie geht die SPD mit Edathy um?

Die Partei geht auf maximale Distanz zu dem Ex-Abgeordneten, der nach eigenen Angaben in Kanada pädophiles „Material“ bezog. Nur moralisch, nicht juristisch urteilt die SPD-Spitze und zeigt sich „entsetzt und fassungslos“. Sein Handeln sei unvereinbar mit einem Bundestagsmandat und passe nicht zur SPD, erklärten die Gremien. Die Mitgliedschaft Edathys lassen sie ruhen. Nun prüfen Parteijuristen, ob man ihn ausschließen kann.

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