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Ermittlungen: Innenminister: Scientology unvereinbar mit dem Grundgesetz

Der Druck auf Scientology wächst: Alle 17 Innenminister halten die Ziele der dubiosen Organisation für verfassungswidrig. Nun will man erst einmal Material sammeln, um die Chancen eines Verbots beurteilen zu können. Auch NPD-nahen Vereinen soll das Leben künftig schwerer gemacht werden.

Alle 17 Teilnehmer der Innenministerkonferenz sind sich einig, "dass wir Scientology für eine nicht mit der Verfassung vereinbare Organisation halten", sagte der Vorsitzende der Innenministerkonferenz, der Berliner Innensenator Ehrhart Körting. Auch rechtsextreme Vereine sollen nicht weiter staatliche Unterstützung erhalten, hieß es nach den zweitägigen Beratungen in Berlin.

Die Verfassungsschutzbehörden sollen damit beauftragt werden, alle Informationen zu sammeln, die für ein mögliches vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen Scientology erforderlich sind. Darüber soll im Herbst kommenden Jahres entschieden werden. Erst nach diesem Ermittlungsverfahren könnte die Frage eines Verbots der Organisation geklärt werden.

Nebenkriegsschauplatz NPD

Schleswig-Holsteins Innenminister Ralf Stegner (SPD) sagte, für ihn stehe Scientology für "hundsgewöhnliche Kriminalität". Nun gehe es darum, dass der Bund ein Verbot prüfe. Die Organisation wird von den Behörden seit Jahren beobachtet, ohne dass zwingende Ansätze für ein Verbot erkannt wurden. Niedersachsens Innenminister Uwe Schünemann (CDU) sagte vor der heutigen Innenministerkonferenz gegenüber der "Hannoverschen Allgemeinen": "Unsere Fachleute sagen uns, ein Vereinsverbot stünde auf tönernen Füßen."

Ein neues Verbotsverfahren gegen die NPD werde es aber vorerst nicht geben, da die Union nicht an einen Erfolg glaube, erklärte Körting. NDP-nahe Organisationen sollen aber keine staatliche Unterstützung mehr erhalten; Spenden sollen nicht mehr abgesetzt werden können. Dies sei aber ein "Nebenkriegsschauplatz", so Körting.

In den USA als Kirche anerkannt

Die Scientology-Organisation (SO) ist eine Glaubensgemeinschaft aus den Vereinigten Staaten, deren Ideologie auf die Schriften des Science-Fiction-Autors Ron Hubbard (1911 - 1986) zurückgeht. Die SO ist in den USA als Kirche anerkannt, in Deutschland nicht. Der weltweit bekannteste Scientologe ist der US-Kinostar Tom Cruise.

Hubbard hatte Scientology 1954 in Amerika gegründet. Er legte seine Vorstellungen in dem Buch "Dianetik - Die moderne Wissenschaft der geistigen Gesundheit" dar. Sein Credo lautet: Eine neue scientologische Zivilisation mit einer Rechtsordnung, in der die Existenz des Einzelnen "vom Ermessen der SO" abhängt. Scientology hat rund acht Millionen Mitglieder. Die Mitgliederzahl in Deutschland wird auf 6000 geschätzt.

In der Bundesrepublik wurde die erste SO-Niederlassung 1970 gegründet. Im Januar hatte Scientology ihre große Hauptstadtrepräsentanz in Berlin-Charlottenburg eröffnet.

"Erbarmungslosemr Psychodruck und Schikanen"

Die Verfassungsschützer machen darauf aufmerksam, "dass derjenige, der erst in die Fänge von Scientology geraten ist, da schwer oder überhaupt nicht mehr herauskommt". Die Organisation arbeite mit "erbarmungslosem Psychodruck und Schikanen". Die hierarchisch strukturierte Gruppierung sei mit V-Leuten nicht zu beobachten. Nach Angaben des Kölner Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) verfügt Scientology über einen eigenen Geheimdienst "OSA" (Office of Special Affairs), der sich "nicht an Recht und Gesetz gebunden sieht".

Als "sehr gefährlich" werden von den Verfassungsschützern die "Anbiederung und starke Einflussnahme" von Scientology auf die Jugend in Deutschland bezeichnet. Die SO preist in diesem Zusammenhang ihren Gründer Hubbard als "Universalgenie auf fast allen Wissensgebieten". Er habe seine Methodik als "Patentrezept für alle Lebensbereiche" entwickelt, so auch zur Unterrichtung der Schüler. Erst jüngst hat Scientology Aufsehen erregt, weil sie ihre Einrichtungen für Nachhilfeunterricht für Schüler im ganzen Bundesgebiet erheblich erweitert hat. Bundesweit gibt es über 30 Nachhilfeschulen von der Organisation. Sie versuche damit immer mehr Einfluss auf die deutsche Jugend zu erlangen, "um sie ins eigene Boot zu ziehen", unterstrichen Verfassungsschützer.

Der Sekten-Experte der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg, Thomas Gandow, erregte den Zorn der Scientologen, als er den Hollywood-Schauspieler Cruise, der in Berlin den Film über den Widerstandskämpfer Claus Schenk Graf von Stauffenberg drehte, als "Goebbels von Scientology" bezeichnete. (smz/dpa/ddp)

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