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Ermittler präsentieren die Überreste der Buk-Rakete, mit der MH17 abgeschossen wurde.

© Francois Lenoir, Reuters

Absturz in der Ostukraine: Beim MH17-Abschuss führt die Spur nach Russland

Die Beweiskette ist ihrer Ansicht nach schlüssig: Ermittler klären Herkunft der Rakete, mit der Flug MH17 über der Ostukraine abgeschossen wurde. Russland aber streitet weiter jegliche Verwicklung ab.

Die Beweislast wird immer erdrückender – Flug MH17 von Amsterdam nach Kuala Lumpur, eine Boeing 777 der Malaysian Air, ist im Juli 2014 über der Ostukraine von einer Buk-Luftabwehrrakete abgeschossen worden, die aus Russland stammt und von russischen Soldaten abgefeuert wurde. Alle ermittelten Daten „weisen genau auf eine Verstrickung Russlands“, sagte der niederländische Außenminister Stef Blok am Freitag in Den Haag nach einer Sondersitzung der Regierung.

Ein internationales Ermittlerteam hatte in jahrelanger Arbeit minutiös den Weg und den Einsatz der in Kursk stationierten russischen Raketeneinheit rekonstruiert, die nun beschuldigt wird, das Zivilflugzeug über dem von ukrainischen Separatisten kontrollierten Gebiet abgeschossen zu haben.

Demnach soll ein Konvoi der 53. russischen Luftlandebrigade mit mehr als 50 Militärfahrzeugen an den Einsatzort unterwegs gewesen sein. Die Ermittler präsentierten der Öffentlichkeit die Überreste der Rakete, die das Flugzeug getroffen haben soll. Die Beweiskette ist aus Sicht der Ermittler schlüssig.

Moskau blockiert

Doch Russland erkennt sie nicht an. Präsident Wladimir Putin beklagte am Donnerstag, er habe wiederholt die Bereitschaft zu gemeinsamen Ermittlungen bekundet. Tatsächlich gab es jedoch Signale, die dem widersprechen: Russland hatte sich 2014 trotz einer entsprechenden Resolution des UN-Sicherheitsrates geweigert, den Ermittlern Aufklärung über seine Truppen in der Ostukraine zu geben. Im Herbst 2015 verhinderte Moskau dann mit seinem Veto die Einsetzung eines UN-Tribunals zur Aufklärung dieses mutmaßlichen Kriegsverbrechens.

Das russische Verteidigungsministerium widersprach den neuesten Ergebnissen der Ermittler jetzt gleich zwei Mal. Am Donnerstag hieß es, keine einzige russische Luftabwehr-Einheit habe die Grenze zwischen Russland und der Ukraine überschritten. Am Freitag wurde ergänzt, der als Beweismittel präsentierte Raketenantrieb könne nicht aus russischen Beständen stammen. Diese Raketen seien 2011 ausgemustert und zerstört worden. Gleichzeitig wurden Anschuldigungen gegen die Ermittler gerichtet. Sie hätten bewusst verschwiegen, woher ihr Beweismittel stamme, hieß es in einer Erklärung aus Moskau. Grund könne nur sein, dass es sich um Material aus ukrainischen Beständen handele.

Mehr als 100 Verdächtige

Russland hat inzwischen zahlreiche Erklärungen vorgelegt, wie sich der Abschuss der MH17 zugetragen habe. Darunter auch einander ausschließende. Immer wieder ist in diesen Varianten die Ukraine die schuldige Partei. Dabei wurde unter anderem ein spanischer Fluglotse als Kronzeuge aufgeboten, den es – wie sich später herausstellte – als reale Person gar nicht gibt. In einem anderen Fall wiesen Hacker nach, dass eine Szene, die ukrainische Militärfahrzeuge im Kampfeinsatz zeigen soll, aus einem Computerspiel herauskopiert war.

Das Recherchenetzwerk „Bellingcat“, macht schon seit langem die 53. russische Luftlandebrigade für den Abschuss von MH17 verantwortlich. Genannt werden mehr als 100 russische Militärs, die angeklagt werden könnten. Der bislang ranghöchste Verdächtige ist demnach Generaloberst Nikolai Tkatschow. Der war 2014 Generalinspekteur des Zentralen Militärbezirks. Kommandeur der beschuldigten Luftabwehrbrigade war damals nach Angaben der Web-Seite des russischen Verteidigungsministeriums Oberst Sergej Mutschkajew.

Deckname "Orion"

„Bellingcat“ präsentierte am Freitag eine weitere mutmaßlichen Schlüsselfigur. Nach der Auswertung zahlreicher offen zugänglicher Quellen sei „mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit“ die Identität einer Person festgestellt worden, die unter dem Decknamen „Andrej Ivanovich“ und „Orion“ im Funkverkehr der Separatisten nach dem Abschuss auftrat. Es soll sich um Oleg Ivannikov handeln, einen Angehörigen des russischen militärischen Geheimdienstes GRU.

Ivannikov soll im ersten Halbjahr 2014 in die Separatisten-Republik Luhansk in der Ostukraine gekommen sein. Er hat nach Erkenntnissen von „Bellingcat“ die Einsätze russischer „Freiwilliger“ und von Söldnern der Kampfgruppe „Wagner“ koordiniert. Gleichzeitig habe es zu seinen Aufgaben gehört, den Transport von russischen Waffen in die Ukraine zu überwachen. Sollte es tatsächlich zum Prozess kommen, haben die Angeklagten nichts zu befürchten: Russland liefert seine Staatsbürger nicht aus. mit dpa

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