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Christian Wulff: Am 17.02.2012 trat er als Bundespräsident zurück.

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Ermittlungsverfahren: Christian Wulff ist noch nicht aus dem Schneider

Trotz anders lautender Medienberichte dauern die Ermittlungen gegen Ex-Bundespräsident Christian Wulff an. Im niedersächsischen Landtagswahlkampf ignorieren ihn die alten CDU-Parteifreunde. Die FDP aber kann sich den ein oder anderen Seitenhieb nicht verkneifen.

Plötzlich taucht er auf, der Name des Ex-Bundespräsidenten. Wenige Tage vor der Landtagswahl diskutieren Parteienvertreter beim Blindenverband Niedersachsen in Hannover über die künftige Sozialpolitik und die Lehren der Vergangenheit. Die CDU/FDP-Landesregierung unter dem damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff hatte 2004 trotz wütender Proteste das Blindengeld von monatlich 409 Euro zunächst ersatzlos gestrichen. „Das war Wulffs größter Fehler“, meint nun FDP-Kandidat Wilfried Engelke im Rückblick. Unten im Saal löst das bei den rund 100 Zuhörern heftiges Lachen aus. „Na gut“, korrigiert sich der liberale Handwerksmeister mit Blick auf die Affären des früheren Regierungschefs, „also Wulffs zweitgrößter Fehler.“

Gratisurlaube bei Unternehmern, Edelsausen mit Prominenten und günstige Kredite für sein Eigenheim bestimmen den Wahlkampfendspurt zwischen Nordseeküste und Harz allenfalls am Rande. „Die Menschen sind mit dem Thema durch“, würgt Wulff-Nachfolger David McAllister alle lästigen Fragen zu seinem politischen Ziehvater ab. Der Blick nach draußen ins Land gibt dem amtierenden CDU-Ministerpräsidenten freilich recht. „Das spielt bei uns an den Ständen kaum eine Rolle“, bestätigt selbst die Parteizentrale der Grünen. Dabei hatte sich deren Spitzenkandidat Stefan Wenzel mit hartnäckigen Fragen im Landtag bei der Opposition den Ruf als Chefaufklärer erarbeitet und sich bei der Union erheblichen Zorn eingehandelt.

Völlig losgelöst vom Wahltermin am Sonntag agiert die Staatsanwaltschaft Hannover in der strafrechtlichen Aufarbeitung der Vorgänge. Vorteilsnahme lautet der Vorwurf gegen Wulff, weil er sich vom Filmunternehmer David Groenewold zu teuren Hotelübernachtungen einladen lassen haben soll – als Belohnung für die Zusage von Landesbürgschaften. Gegen Groenewold wird entsprechend wegen Vorteilsgewährung ermittelt. Am vergangenen Wochenende platzte dann aber die Nachricht auf den Markt, das Landeskriminalamt sehe dafür keine hinreichenden Beweise und empfehle die Einstellung des Verfahrens.

Das veranlasste die Staatsanwaltschaft prompt zu einer ungewöhnlichen Klarstellung. Die Ermittlungen seien keinesfalls abgeschlossen, teilte die Behörde klipp und klar mit. Von „unübersichtlichen Kampflinien“ spricht Oberstaatsanwalt Hans-Jürgen Lendeckel. Hier wolle irgendjemand – aus welchen Motiven auch immer – kurz vor der Wahl Verwirrung stiften. „Zeitpunkt und Ergebnis sind definitiv noch offen“, sagt der Strafverfolger zu möglichen Ergebnissen der Ermittlungen. So stehen die Einlassungen der Verteidiger aus, außerdem müssen die Fahnder noch Beweismittel auswerten, wohl auch neue Zeugen befragen. Das zeitlich früher eingeleitete Korruptionsverfahren gegen Wulffs ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker und den Partymanager Manfred Schmid wegen der umstrittenen Promi-Fete „Nord-Süd-Dialog“ ist laut Lendeckel ebenfalls noch nicht abgeschlossen.

Glaeseker soll 2009 in seiner Funktion als Staatssekretär hohe Sponsorengelder zugunsten Schmidts eingeworben und als Dank dafür kostenlose Urlaube auf dessen Anwesen in Spanien und Südfrankreich gemacht haben. Offen ist, ob dies alles mit Wissen und Duldung Wulffs geschah, ob sich der Ex-Präsident möglicherweise auch dafür strafrechtlich verantworten muss. Noch bestehe kein Anfangsverdacht für einen Verstoß gegen Paragraf 357 Strafgesetzbuch, noch seien die Ermittlungen gegen Wulff auf diesen Punkt nicht ausgedehnt worden, erklärt Oberstaatsanwalt Lendeckel. Aber man habe diesen Aspekt sehr wohl „im Blick“. Vom Ausgang der Verfahren hängt natürlich der Versuch eines Comebacks ab. Wulff, der in Niedersachsen mit Aygül Özkan die erste türkischstämmige Frau zur Ministerin erkor und bei Migranten nach wie vor hohes Ansehen genießt, feile an einer Zukunft als Botschafter für Integration, heißt es.

Um das Privatleben Wulffs ist es derweil wieder etwas ruhiger geworden. Das Kapitel Großburgwedel ist nach der Trennung von seiner zweiten Ehefrau Bettina beendet; Wulff hat den Umzug nach Hannover in seine neue Dreizimmerwohnung im bieder-bürgerlichen Viertel Waldhausen vollzogen, wo auch Altkanzler Gerhard Schröder (SPD) lebt. Die Paparazzi vor dem neuen Domizil im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses sind wieder verschwunden. Natürlich wabern Gerüchte durch die Landeshauptstadt, doch über Eheprobleme und deren Folgen mögen zumindest die Wahlkämpfer, allen voran Ministerpräsident McAllister, natürlich nicht reden.

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