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Bundestagspräsident Norbert Lammert wollte mehr Zeit für die Beratungen. Foto: ddp

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Politik: Erst der Euro, dann der Papst

SPD und Grüne stimmen dem Fahrplan der Regierung zum Rettungspaket zu

Von Robert Birnbaum

Berlin - Der 22. September könnte ein interessanter Tag im Deutschen Bundestag werden. Dass Papst Benedikt XVI. an diesem Nachmittag im Reichstag reden soll, steht schon länger fest. Dass vermutlich am Vormittag über das umstrittene Euro-Rettungspaket abgestimmt wird, ist eigentlich auch schon lange klar. Doch nachdem Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) sich über die angeblich zu kurze Beratungszeit für das Gesetzesvorhaben beschwert hatte, mussten die Geschäftsführer am Dienstag noch einmal in aller Form im Ältestenrat über den Zeitplan reden.

Das Ergebnis war das gleiche wie vor Wochen: Union und FDP, aber auch SPD und Grüne sind mit den Fristen völlig einverstanden, die die Koalition vorgesehen hat. Das Kabinett soll am 31. August die Gesetzesvorlagen beschließen – für deren genaue Formulierung derzeit noch Dokumente aus Brüssel fehlen –, in der „Papst-Woche“ vom 19. bis 23. September sollen Bundestag und Bundesrat abstimmen. Nur die Linke ist damit weiterhin unzufrieden, weil sie eine Sondersitzung wollte. Dafür fand sie aber auch in der Opposition keine Unterstützung. Die Euro-Rettung, befand Grünen-Geschäftsführer Volker Beck, müsse „schnell in trockene Tücher“, das sei jetzt nicht die Zeit für Geschäftsordnungsdebatten. Und auch sein SPD-Kollege Thomas Oppermann gab zu Protokoll, im Sinne der Stabilität der Finanzmärkte sei seine Fraktion bereit, die Ausweitung des Euro-Rettungsschirms EFSF binnen dreieinhalb Wochen zu beraten und zu beschließen.

Den Fristen-Zank mit dem Parteifreund Lammert hat die Kanzlerin damit also vom Tisch. Er zählte freilich zu Angela Merkels geringsten Sorgen, obwohl Lammerts Intervention der Unionsführung gehörig auf die Nerven ging. Fraktionschef Volker Kauder hatte sich ja sogar öffentlich Belehrungen durch den Herrn Präsidenten verbeten: Von „Durchpeitschen“ des Rettungsgesetzes könne keine Rede sein.

Kauders Ausbruch spiegelte freilich nicht nur den Ärger darüber, dass Lammert sein Amt immer wieder nutzt, um die eigene Koalition zurechtzuweisen. Der Fraktionschef dürfte auch von der Sorge getrieben gewesen sein, dass die Kritiker der Euro-Rettung sich durch Gemäkel am Verfahren bestärkt sehen könnten. Kauder weiß ebenso wie sein FDP-Kollege Rainer Brüderle, dass die Euro-Abstimmung zur Schicksalsfrage für die Koalition werden kann. Fehlt Schwarz-Gelb dabei eine eigene Mehrheit, drohen Merkel ernsthafte Probleme, auch wenn die Gesetze selbst gute Chancen haben, mit den Stimmen von SPD und Grünen allemal eine Mehrheit zu bekommen.

Deshalb wollte Merkel am Dienstagabend in einer eigens in der Ferienzeit einberufenen Sondersitzung der eigenen Fraktion Rede und Antwort stehen. Auch von der Parteispitze kommt inzwischen Sperrfeuer. Parteivize Ursula von der Leyen forderte, europäischen Schuldensündern Gelder aus dem Rettungsfonds nur noch gegen Sicherheiten abzugeben – Goldreserven etwa oder Industriebeteiligungen. Auf diese Weise könne man sicherstellen, dass eine EU-Schuldenbremse nicht einfach so folgenlos ignoriert werde wie der Maastrichter Vertrag.

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