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Politik: Erst der Präsident, dann das Parlament

Der Wahlkalender in Ägypten ist festgelegt. Armeechef al Sisi bringt sich in Stellung.

Kairo - Die Bürger in Ägypten werden zuerst einen neuen Präsidenten und erst dann ein neues Parlament wählen. Das erklärte Übergangspräsident Adli Mansur am Sonntag in einer Fernsehansprache, ohne Termine für die Abstimmungen zu nennen. Damit hat er den von der Armee nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi im Sommer veröffentlichten politischen Fahrplan umgestellt. Die neue Verfassung legt es in Mansurs Hand, die Reihenfolge der Neuwahlen zu bestimmen. Wie er in der Ansprache weiter sagte, wird die Wahlkommission alles Weitere regeln. Es wird mit einem Wahltermin im April gerechnet.

Präsident und Parlament müssen laut Verfassung in einem Zeitraum von sechs Monaten bestellt sein. Der Präsident hat zudem die Staatsanwaltschaft angewiesen, den Status von tausenden Verhafteten zu überprüfen und vor allem Studenten freizulassen. Der Kampf gegen den Terrorismus dürfe nicht zur Verletzung der Menschenrechte führen, mahnte er. Nach diesem Grundsatzentscheid zur Präsidentschaftswahl erwarten ägyptische Medien, dass Militärchef und Verteidigungsminister General Abdel Fattah al Sisi stündlich seinen Rücktritt aus der Armee erklären und seine Aspirationen auf das höchste Amt im Staat offiziell anmelden könnte.

Am Samstag bei den Festivitäten zum 3. Jahrestag der Revolution von 2011 waren schon Bilder von Sisi als Zivilist im maßgeschneiderten Anzug zu sehen gewesen. Dieser Tag war von den Anhängern der neuen Führung in ein Sisi-Festival umgestaltet worden. Überall auf dem Tahrir-Platz waren Bilder des Generals auf riesigen Transparenten, auf Plakaten, Ansteckknöpfen oder T-Shirts zu sehen. In Sprechchören wurde nach Sisi gerufen. Von Sisi erwarteten diese Hunderttausenden, die im ganzen Land auf die zentralen Plätze geströmt waren, dass er nach drei chaotischen Jahren Stabilität bringt und die zunehmende Gewalt eindämmen kann, die sich am Freitag mit der Bombenserie in Kairo erneut manifestiert hatte. Mit Feuerwerken bis in die frühen Morgenstunden des Sonntags feierten die Menschen auf den Straßen drei Jahre nach dem Sturz von Langzeitregent Husni Mubarak den neuen starken Mann.

Nur diese Gruppe des tief gespaltenen Landes hatte am Samstag die Freiheit, ihre Meinung frei auszudrücken. Die beiden anderen politischen Strömungen, die an getrennten Orten versuchten, Kundgebungen abzuhalten, wurden von dem massiven Aufgebot an Sicherheitskräften daran gehindert. Die meist jungen Mitglieder der Revolutionsgruppen, die immer noch für die Ideale der Revolution – Brot, Freiheit und soziale Gerechtigkeit – einstehen, etwa die Jugendbewegung des 6. April, ging am Samstag gegen die Muslimbrüder und das Militär auf die Straße. Sie sind mittlerweile auf eine kleine Gruppe zusammengeschrumpft. Ihre Proteste wurden mit Tränengas und Schlagstöcken aufgelöst.

Gleiches galt auch für die Anhänger der entmachteten Muslimbrüder, die im ganzen Land Demonstrationen gegen den Putsch organisiert hatten, die mit großer Härte unterdrückt wurden. Ärzte berichteten, viele der Getöteten würden Schusswunden aufweisen. Wie das Gesundheitsministerium am Sonntag mitteilte, sind binnen 24 Stunden 50 Menschen getötet und 247 verletzt worden, über 1000 wurden verhaftet. Das Blutvergießen zeige, dass sich seit dem 25. Januar 2011 überhaupt nichts verändert hätte, alle neuen Machthaber hätten die Revolution verraten, erklärte die Bewegung des 6. April. Die Spannungen waren in Kairo auch im Sonntag noch zu spüren. Die Sicherheitskräfte waren immer noch massiv präsent, und viele Straßen und sensible Plätze gesperrt. Die Verkehr kam vielerorts zum Erliegen. Die Anti-Coup-Allianz der Muslimbrüder hatte sogar zu einer Ausweitung ihrer Proteste aufgerufen.Astrid Frefel

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