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Politik: Erst die Akten, dann die Zeugen

BND-Untersuchungsausschuss nimmt Arbeit auf / Ex-Nachrichtendienstchef Kinkel: „Nicht gerechtfertigt“

Von Frank Jansen

Berlin/Washington - Der ehemalige FDP-Chef Klaus Kinkel hat zumindest indirekt Kritik an seiner eigenen Partei geäußert. Er halte die Einsetzung des so genannten BND-Untersuchungsausschusses für falsch, sagte Kinkel am Donnerstag in Berlin in seiner Ansprache bei der 50-Jahr-Feier des Nachrichtendienstes. Kinkel gab zu, dass er sich mit seiner Meinung gegen die FDP-Bundestagsfraktion stellt. Die Liberalen hatten, gemeinsam mit den Fraktionen von Linkspartei und Grünen, im April die Einsetzung des Ausschusses durchgesetzt, der sich am Donnerstag zur ersten Arbeitssitzung traf.

Nach Ansicht Kinkels sind aber die gegen den BND erhobenen Vorwürfe so weitgehend aufgeklärt, dass der Untersuchungsausschuss „nicht gerechtfertigt ist“. Kinkel, selbst ehemaliger Präsident des Nachrichtendienstes sowie früherer Außen- und Justizminister, warnte vor einer „Gefährdung des Ansehens des BND“ in einer vom Terrorismus bedrohten Welt. Bundeskanzlerin Angela Merkel mahnte bei dem Festakt die Mitglieder des Untersuchungsausschusses, die Notwendigkeit der Arbeit von Nachrichtendiensten dürfe „in keiner Weise in Frage gestellt werden“. Mit Blick auf die vom Ausschuss zu untersuchende Rolle zweier BND-Agenten im Irakkrieg betonte Merkel, gerade die Zusammenarbeit mit den USA sei für den Auslandsnachrichtendienst besonders wichtig.

Der BND-Untersuchungsausschuss einigte sich bei seiner ersten Arbeitssitzung am Donnerstag auf Eckpunkte für sein Vorgehen. Das Gremium will sich zunächst dem Aktenstudium widmen und voraussichtlich erst Ende Juni Zeugen hören. „Akten gehen vor Zeugenvernehmungen“, sagte Ausschusschef Siegfried Kauder (CDU). Er ließ offen, ob prominente Zeugen wie etwa ehemalige oder amtierende Minister vor laufenden Kameras aussagen sollen. Das Gremium soll klären, ob bei Geheimflügen des US-Geheimdienstes CIA Terrorverdächtige über deutsches Staatsgebiet transportiert wurden und ob die Bundesregierung etwas über CIA-Geheimgefängnisse in Europa weiß. Außerdem soll der Ausschuss Licht in die Frage bringen, was die Regierung über die Verschleppung des deutschen Staatsbürgers Khaled al Masri durch die USA wusste und ob deutsche Sicherheitsbehörden an dessen Vernehmung in Kabul beteiligt waren.

Unterdessen zeigen die Erfahrungen des CIA-Untersuchungsausschusses des Europäischen Parlaments, wie schwierig die Aufklärung ist. Wenn nicht Eingeweihte auspacken, sei es kaum möglich, Beweise für die behaupteten CIA-Geheimgefängnisse in Europa oder angeblich illegale CIA-Flüge zum Transport Terrorverdächtiger zu finden, sagte der Vizevorsitzende des Ausschusses, der deutsche Grüne Cem Özdemir, beim Besuch in Washington. Bisher habe man in Gesprächen mit Menschenrechtsorganisationen und durch die Arbeit von Journalisten Indizien und Anschuldigungen gesammelt, aber derzeit „kann niemand genau sagen, was wirklich passiert ist“, sagte Özdemir. Er will eine Verlängerung des Ausschusses beantragen, um Regierungen der EU-Staaten mit dem Material zu konfrontieren und sie nach ihrer Beteiligung zu fragen. Außenminister Steinmeier wird demnächst vor dem Ausschuss aussagen. In Washington treffen Özdemir und Kollegen Vertreter von Menschenrechtsorganisationen, den Rechtsberater des US-Außenministeriums, John Bellinger, den ehemaligen CIA-Direktor James Woolsey und Kongressabgeordnete.

Laut Özdemir haben die mutmaßlichen Verstöße ein geringeres Ausmaß, als bisher angenommen. Bei der Verbringung von Verdächtigen in „Geheimgefängnisse“ in Osteuropa gehe es nicht um hunderte Fälle, sondern um maximal zehn. Man könne Flugbewegungen nachvollziehen, doch fehle meist der entscheidende Beweis, dass der angenommene illegale Transport stattgefunden hat.

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