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Politik: Erst die Moral, dann das Fressen

Von Corinna VisserDa werden Vorstandschefs gern jovial. „Ach kommen Sie, das wissen Sie doch, ohne Schmiergelder kann man in Russland, in Asien oder in Afrika gar keine Geschäfte machen.

Von Corinna Visser

Da werden Vorstandschefs gern jovial. „Ach kommen Sie, das wissen Sie doch, ohne Schmiergelder kann man in Russland, in Asien oder in Afrika gar keine Geschäfte machen.“ Da scheint ein stilles Einverständnis in der Industrie zu herrschen. Siemens sei nur ein Beispiel, heißt es. „Das machen alle, sonst kommt man ja nicht zum Zuge.“ Auf den Exportweltmeister Deutschland wirft das ein seltsames Licht. Läuft der Exportmotor nur deshalb so rund, weil da kräftig geschmiert wird? Aber das machten doch auch die anderen, die Amerikaner, die Franzosen, in Italien laufe gar nichts ohne „nützliche Aufwendungen“. So nannte man bei Siemens die Gelder, die auch für Bestechungen eingesetzt worden sein sollen.

Es ist wie beim Doping, sagen manche: Wer sauber bleiben will, muss auch bereit sein, bei der Weltmeisterschaft nur Fünfter zu werden. Auf die Wirtschaft übertragen heißt das: Die deutschen Unternehmen, die im internationalen Wettbewerb stehen, müssten auf Aufträge verzichten, die ohne Schmiergelder nicht zu haben sind. Sie müssten sinkende Umsätze und Renditen in Kauf nehmen. Das könnte Arbeitsplätze kosten – auch in Deutschland. Soll man das riskieren? Man soll nicht nur, man muss! Korruption ist strafbar – nicht zuletzt, weil sie wirtschaftlichen Schaden verursacht. Wo Schmiergelder fließen, müssen Menschen für Produkte und Leistungen mehr bezahlen, als sie eigentlich – ohne Schmiergelder – kosten würden. Das gilt für Kairo oder Lagos genauso wie für München oder Wolfsburg.

Und hier, in München wie in Wolfsburg, müssen die Unternehmen anfangen, sauber zu werden. Bisher schweigt die Politik zu den Ereignissen bei Siemens. Nur einige Mitglieder der Regierungskommission Corporate Governance, die Regeln für gute und transparente Unternehmensführung aufstellt, denken laut darüber nach, ob man die Kontrollen verschärfen muss. Die Bundesregierung sollte diesen Gedanken aufgreifen. Sie könnte die Frage der Korruptionsbekämpfung zu einem Thema für die Ratspräsidentschaft der EU machen. Auch und gerade, weil Korruption immer mit dem schmierigen Argument, wenn wir es nicht tun, tun es andere, verteidigt wird.

Bei Siemens, so wird gern behauptet, war Korruption ein gängiges Mittel, die Auftragsbücher zu füllen. Ein Unternehmen, das große Anlagen in der ganzen Welt baut, das Milliardenaufträge von Regierungen erhält, ist anfällig für solche Vorwürfe. Als Bestechung im Ausland vor Jahren strafbar wurde, musste der Konzern reagieren. Einige Mitarbeiter haben dabei offenbar die falschen Entscheidungen getroffen. Es ist kein Zufall, dass gerade jetzt vieles ans Licht kommt. Siemens ist ein Konzern im Umbruch. Nicht nur, dass es gerade einen Generationswechsel an der Spitze des Konzerns gegeben hat – von Heinrich von Pierer, dem Protagonisten der alten Deutschland AG, hin zum amerikanisch geprägten Manager Klaus Kleinfeld. Kleinfeld hat den Konzern kräftig umgebaut, sich vom alten Kerngeschäft Telekommunikation getrennt und das Unternehmen auf neue Ziele ausgerichtet, die „Megatrends des 21. Jahrhunderts“, wie er es nennt.

Just als es schien, dass Siemens wieder in ruhigeres Fahrwasser gerät, tauchen nun die Sünden der Vergangenheit auf. Kleinfeld muss die Gelegenheit nutzen und Siemens von Grund auf umbauen, er muss eine neue Unternehmenskultur entwickeln und sich vom Geschäftsgebaren der alten Zeit verabschieden. Erst dann wird der Betrieb fit für die Zukunft sein.

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