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Politik: Erst Kabul, dann Bagdad?

Die Nato könnte die Isaf-Truppe übernehmen. In Brüssel wird auch schon über einen Einsatz im Irak diskutiert

DER FRIEDENSPROZESS IN AFGHANISTAN

Um die Sicherheit in Kabul auch nach dem Abzug des deutsch-niederländischen Korps im August zu gewährleisten, berät die Nato, ob sie die Unterstützung für die Isaf-Mission in Kabul ausweiten soll. Wenn sich die neunzehn Mitgliedsstaaten darauf einigen, wäre der erste große „out of area“-Einsatz der Allianz beschlossene Sache. Der Nato-Rat hat den Militärausschuss am vergangenen Mittwoch beauftragt, verschiedene Szenarien zu entwerfen. Darüber sollen die Mitgliedsstaaten noch in dieser Woche informiert werden.

Diskutiert werden drei Varianten: Soll die Nato das Kommando der Isaf insgesamt übernehmen unter Leitung eines bestehenden Nato-Hauptquartiers? Oder soll die Nato Material, Gerät und Soldaten stellen, nicht aber ihr Hauptquartier in Kabul nehmen. Dann müsste sie von Mons aus ihre Unterstützung für die Führung vor Ort ausweiten. Oder soll alles bleiben, wie es ist?

Besonders die Bundesregierung und die niederländische Regierung haben mit Unterstützung der USA im Nato-Rat darauf gedrängt, ein Konzept für die Fortführung des Isaf-Kommandos unter Nato-Beteiligung zu entwickeln. Denn die Niederlande verlassen das Kommando im August und es hat sich in den vergangenen Wochen herausgestellt, dass weder Kanadier noch Spanier in der Lage sind, die Führung der Isaf-Truppe in Afghanistan nach Auslaufen des deutsch-niederländischen Mandats zu übernehmen. Beiden fehlt es an Kapazitäten.

Eine Ausweitung des Isaf-Mandates über Kabul hinaus kommt aus Sicht der Nato nicht in Frage. Begrüßt wird jedoch das Konzept der USA, regionale Stabilisierungsteams aufzubauen, die durch Soldaten geschützt werden sollen. Bei einer Werbeveranstaltung der Amerikaner im Nato-Hauptquartier in Brüssel wurden vor vierzehn Tagen 46 Partnerstaaten über die Idee informiert und aufgefordert, allein oder zu mehreren die Verantwortung in bestimmten Regionen zu übernehmen.

Strikt gegen eine Nato-Präsenz in Kabul sind die Franzosen. Zwar sende die französische Regierung „Signale der Beweglichkeit", erklärten Nato-Diplomaten. Aber sie wende sich immer noch strikt gegen eine Ausweitung des Nato-Auftrages über Artikel 5, den Verteidigungsfall, hinaus. Wenn die Nato die Führung der Isaf-Mission übernähme und so in großer Entfernung zum Nato-Gebiet tätig werde, gäbe es auch kein prinzipielles Argument mehr gegen einen Einsatz im Irak.

Nato-Militärs gehen davon aus, dass die Nato die einzige Organisation ist, die die mittelfristige Sicherung des Wiederaufbaus im Irak leisten kann, da eine längere US-Präsenz im Irak innenpolitisch nicht akzeptiert werden würde. Sollte es dazu kommen, könnte die Nato auch die gegenwärtige Spaltung in Kriegsgegner und Kriegsbefürworter überwinden. Diese hatte sich in den vergangenen Wochen verschärft. Gesprächstermine im Viererkreis von USA, Großbritannien, Frankreich und Deutschland waren abgesagt worden.

Berlin und Paris könnten einem Nato-Einsatz im Irak allerdings dann zustimmen, wenn er unter dem Dach der Vereinten Nationen stattfände – also die UN der Nato den Auftrag erteilt, den Wiederaufbau und die Demokratiebildung militärisch abzusichern. Dann würde die Nato, wie in Bosnien, als eine Art Unteragentur der UN arbeiten.

Mariele Schulze Berndt[Brüssel]

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