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Politik: Erst mal durchhalten

Die CSU versichert Edmund Stoiber ihre Treue – er ihr auch. Eine Entfremdung verdeckt das kaum

Von Robert Birnbaum

Es gibt Formulierungen im politischen Leben, die sind eigentlich für frisch gekürte Kandidaten reserviert. Edmund Stoiber ist nicht frisch, sondern ziemlich blass um die Nase. Aber wahrscheinlich kommt er sich trotzdem ein wenig neugeboren vor: „Ich bin für die Führungsverantwortung in der Partei und in Bayern bereit“, sagt er. Wochenlang hat die eigene Partei dem CSU-Vorsitzenden und bayerischen Ministerpräsidenten die Hölle heiß gemacht, hat über Mitgliederbefragungen diskutiert, von „Abnutzungserscheinungen“ gesprochen. Montag früh aber hat das CSU-Präsidium beschlossen, dass sein Chef doch nicht abgenutzt sei.

„Er ist und bleibt die Nummer eins in der Partei und in Bayern“, verkündet Landtagspräsident Alois Glück, von dem pikanterweise ausgerechnet das Abnutzungszitat stammt, das Ergebnis der vierstündigen Sitzung in München. Glück hat vorher schnell versichert, dass sich die Bezirksvorsitzenden der CSU früh aus freien Stücken getroffen hätten, um ihre Solidaritätsadresse für Stoiber zu formulieren – nicht etwa auf Wunsch des Betroffenen. Die Klarstellung schien nötig, hatte Fraktionschef Joachim Herrmann doch durchblicken lassen, dass eine ähnliche Ergebenheitsadresse der Landtagsfraktion für Ende der Woche von oben bestellt sei.

In der Präsidiumssitzung wurde aber keine reine Huldigung für den Chef zelebriert, sondern – so Parteivize Horst Seehofer – eine „absolut ehrliche“ Debatte geführt. Die Ehrlichkeit bezog sich auf Stoibers lässliche Sünden: Er musste sich anhören, dass er eine gehörige Portion Mitschuld daran trage, dass die rebellische Landrätin Gabriele Pauli ihn derart in die Enge hat treiben können. Erstens nämlich gehöre es sich nicht, Parteifreunde auszuspitzeln – Stoiber selbst wird später vor den Kameras noch einmal Abbitte für seinen geschassten Büroleiter leisten, der dem Privatleben der lästigen Parteifreundin nachspionierte. Zweitens gehöre es sich nicht, einer Parteifreundin das Gespräch zu verweigern. Auch diese Sünde hat Stoiber versprochen zu korrigieren – vor der nächsten Vorstandssitzung will er mit Pauli reden.

Ansonsten lautet die Parole: Erst mal Augen zu und durch. „In der CSU gibt es keine Führungskrise“, sagt Glück und versichert, „dass wir über 2008 hinaus mit Edmund Stoiber als Parteivorsitzendem und Ministerpräsidenten die Politik in Bayern gestalten wollen.“ Fraktionschef Herrmann wird gar hymnisch: „Er ist und bleibt der erfolgreichste Ministerpräsident in Deutschland.“ Schade bloß, dass das in Bayern eine Mehrheit anders sieht – obwohl die gleichen Umfragen der CSU nach wie vor eine stabile Mehrheit versprechen. Stoiber hält von Umfragen allgemein nicht mehr so viel, was man ja bei der Bundestagswahl 2005 oder auch im Nachbarland Österreich habe sehen können. Von den Umfragen zugunsten der CSU hält er aber doch wieder was: „Auf dem Wahlzettel steht Christlich-Soziale Union.“ Will sagen: Auf mich kommt’s gar nicht so sehr an, wenn’s drauf ankommt.

Aber so ist es natürlich nicht. Kurz nach der Präsidiumssitzung steht Seehofer im Schnee vor dem alten Wildbad Kreuth, wo sich die CSU-Landesgruppe im Bundestag zur Traditionsklausur trifft. Man werde, sagt er, in den nächsten Monaten wieder geraderichten müssen, was jetzt passiert ist. Man kann das als Arbeitsauftrag an Stoiber deuten. Der wiederholt wenig später, er sei bereit, seine Führungsverantwortung zu erfüllen – und übt sich in Polit-Meteorologie: „Die Temperaturen sind bei diesem ‚Kreuth‘ wesentlich höher als sonst – aber die Luft ist klar.“ Nachfragen blockt Landesgruppenchef Ramsauer ab; Thema des Tages solle lieber die Gesundheitsreform werden. Er weiß, dass die CSU mit einem geschwächten Stoiber wenig Chancen hat im Poker um Privatkassen und Bayern-Rabatt.

Seine Solidaritätsadresse: Die CSU, sagt er, stünde vor Stoiber, wenn von vorne geschossen werde, hinter ihm, wenn das Feuer von hinten komme „oder um ihn herum, wenn von allen Seiten geschossen wird“. Ein treffendes Bild: Die CSU, um ihren Feldherrn geschart, der sich alleine nicht verteidigen kann.

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