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Politik: Erst nein – jetzt ja?

Heute stimmen die Iren über den EU-Vertrag von Nizza ab. Nach großem Widerstand begrüßen jetzt viele die Osterweiterung

Obwohl sich die Popularität der irischen Regierung unverändert auf Talfahrt befindet, scheinen Irlands Wähler großzügig darauf zu verzichten, am Samstag aus Protest gegen die Ratifizierung des EU-Vertrags von Nizza zu stimmen. Der letzten Meinungsumfrage vor dem Urnengang zufolge sind 42 Prozent für den Vertrag, 29 Prozent dagegen. Der Anteil der noch immer Unentschiedenen schrumpfte auf 19 Prozent. Die Iren hatten denselben Vertrag vor 16 Monaten abgelehnt, damals hatte die letzte Meinungsumfrage ebenfalls ein Ja versprochen. Doch diesmal arbeitet der Trend zu Gunsten der Befürworter, die Ja-Stimmen bröseln nicht wie beim letzten Mal weg.

Der Ärger der Bevölkerung, dass die erste Entscheidung ignoriert wurde, hält indessen unverändert an. Inzwischen allerdings haben alle anderen 14 EU-Staaten den Vertrag ratifiziert, aus den Kandidatenländern kam ein Strom von Besuchern nach Irland, die inständig um einen positiven Bescheid baten. Politiker der großen irischen Parteien, ehemalige Premierminister und EU-Kommissare appellierten an die moralische Verpflichtung Irlands, den Kandidaten dieselben Chancen einzuräumen, wie sie Irland selbst seit 1973 genossen habe. Fast 60 Milliarden Euro flossen seither nach Irland, dessen Wirtschaftsleistung pro Kopf sich von rund 60 Prozent des EU-Durchschnitts auf mehr als 120 Prozent steigerte. Trotzdem wird auch heute noch die im Bau befindliche Autobahn von Dublin nach Belfast zu 85 Prozent von der EU bezahlt. Erst von 2006 an wird Irland Nettozahler.

Während die Befürworter, zu denen auch die Arbeitgeber und die Gewerkschaften zählen, tief in die Tasche griffen und die grundsätzlichen Segnungen der EU für Irland hervorhoben, verbissen sich die Gegner in die Einzelheiten des komplizierten Nizza-Vertrags. Meinungsforscher haben herausgefunden, dass die Angst vor dem Verlust der irischen Eigenart und des irischen Einflusses den wichtigsten Grund für eine Ablehnung bildet. Unmittelbar anschließend kommt die Sorge um die irische Neutralität, obwohl die EU der irischen Regierung eine Unbedenklichkeitserklärung ausgestellt hat. Ebenfalls bedeutsam ist die Furcht vor zusätzlichen Einwanderern, wenn die neuen Mitglieder Freizügigkeit erlangen. Dieses Argument wurde zwar nur von winzigen Splittergruppen vertreten, von denen eine sogar enge Kontakte zur deutschen NPD unterhält, aber die Angstmache hatte durchaus Erfolg. Außer diesen Scharfmachern beteuerten indessen Befürworter wie auch Gegner, dass sie die Osterweiterung begrüßten. Dieses Argument wird vermutlich den Ausschlag geben, falls sich genügend Bürger an die Urne bemühen. Beim letzten Mal war es bloß ein gutes Drittel.

Martin Alioth[Dublin]

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