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Eins gegen eins: Hillary Clinton und Donald Trump. Hier in großen Bildern auf einem CNN-Fahrzeug in New York.

© Paul J. Richards/AFP

Erste Debatte gegen Donald Trump: Hillary Clinton kann das TV-Duell nicht gewinnen

Hillary Clinton weiß mehr und bereitet sich besser vor. Doch die Überlegene ist im Nachteil. Sie kann bestenfalls die Erwartungen erfüllen. Ein Kommentar zur ersten Präsidentschaftsdebatte.

Ein Kommentar von Christoph von Marschall

Sie bereitet sich präziser vor. Sie kennt sich in den Themen besser aus. Die Wähler haben höhere Erwartungen an sie. Das klingt wie ein Vorteil, ist aber eher ein Risiko für sie.

Hundert Millionen Zuschauer werden heute Abend bei der ersten der drei TV-Debatten zwischen Hillary Clinton und Donald Trump erwartet. Solche Zahlen kennt man in den USA sonst nur von Sport-Highlights wie dem Super-Bowl. Oder von Meilensteinen der TV-Unterhaltung wie „Mash“ und „Cheers“. Für eine „politische“ Sendung ist es eine neue Dimension. Der Rekord für eine Präsidentschaftsdebatte lag bisher bei 80 Millionen: 1980 war das, Jimmy Carter gegen Ronald Reagan, als der Ausgang des Geiseldramas im Iran die Nation bewegte. Das Duell Barack Obama gegen Mitt Romney 2012 sahen gut 60 Millionen, in normalen Zeiten ist das der Erwartungspegel.

„Politik“ ist ohnehin der falsche Begriff, um das öffentliche Interesse am Duell Trump-Clinton zu erklären. „Entertainment“ und die Faszination körperbetonter Kampfsportarten sind passendere Vergleiche. In manchen Städten wird es „Public Viewing“ auf Plätzen geben. Natürlich spielt auch die Neugier eine Rolle, welche Unverschämtheit sich Trump diesmal erlauben wird.

Politik? Es geht um Kampf und Unterhaltung

Diese Mischung macht die Herausforderung der 90 Minuten Debatte an der Hofstra-Universität aus, aber auch die Unkalkulierbarkeit der Wirkung. Für annähernd die Hälfte der Zuschauer wird es die erste Begegnung mit dieser Art politischer Schlagabtausch. Welches Verständnis von Politik bringen sie mit? Werden sie das, was die Berater für „professionell“ halten und mit den Kandidaten einüben, als hilfreich empfinden?

Da treffen zwei gegensätzliche Politikverständnisse aufeinander. Clinton hält sich an das konventionelle „Playbook“, hat ihr Team dicke Dossiers anlegen lassen. Sie studiert Videos, wie Trump in den TV-Debatten mit seinen republikanischen Konkurrenten um die Kandidatur auftrat, wie er angreift und was ihn aus der Ruhe bringt. Sie übt in einem Studio, das der Bühne am Montagabend ähnelt, mit einem Sparringspartner. Philippe Reines, Bürochef in ihren Senatorenjahren, spielt Trump. Äußerlich hat er wenig Ähnlichkeit, er trägt kurzes dunkles Haar und ist schlanker.

Clinton übt, beleidigt zu werden

Aber er ist einer der wenigen, die Clinton furchtlos auf Schwächen hinweisen, und scheut sich nicht, ihr als Trump Beleidigungen an den Kopf zu werfen, sie rüde zu unterbrechen und die Affären ihres Ehemanns Bill anzusprechen. Berater bemühen sich, ihre Reaktionen zu optimieren. Auch Tony Schwartz, Ghostwriter des Trump-Bestsellers „The Art of the Deal“, gehört zum Vorbereitungsteam. Er Trump damals über Monate aus der Nähe kennen gelernt. Jetzt warnt er vor ihm.

Trump mag solche Trockenübungen nicht. Er verlässt sich auf seinen Instinkt. Seine Berater würden gerne detaillierter und länger mit ihm üben. Er hält das für Zeitverschwendung. Debatten, sagt er, werden nicht durch einzelne Aussagen gewonnen, sondern durch den Gesamteindruck, wer souveräner auftrete. Und durch eine überragende Botschaft wie „Make America Great Again“. Immerhin hat er seine Pläne geändert und ist zur Vorbereitung der Debatte nach New York zurückgekehrt. Die Strategie bespricht er mit politischen Vertrauten wie Rudy Giuliani, Newt Gingrich, Ben Carson. Per Massenemail bezieht er Anhänger ein: Soll er Clinton in der Debatte „Crooked Hillary“ nennen, wie er das bei Wahlkampfauftritten regelmäßig tut?

Das eigentliche Ziel der Vorbereitung wird öffentlich nicht diskutiert: Wie kann man den Gegner aus der eingeübten Verteidigung locken und dazu bringen, unkontrolliert zu reagieren?

Die größten Fehler der Debattengeschichte

Fehler wie in den Anfangsjahren der TV-Debatten – Richard Nixon erschien schlecht rasiert, verzichtete auf Makeup und schwitzte – macht heute niemand mehr. Fragen nach der Gesundheit kann man nicht mehr mit einem Scherz neutralisieren wie Ronald Reagan, der antwortete, er werde seinem Gegner dessen jugendliches Alter und seine Unerfahrenheit nicht zum Vorwurf machen. Al Gore, der 2000 wegen seiner Sachkompetenz ähnlich favorisiert wurde wie heute Clinton, aber ungeduldig wirkte, als George W. Bush weniger kenntnisreich sprach, gilt als warnendes Beispiel. Barack Obama verlor die erste Debatte 2012 auch deshalb, weil er übermüdet nach Denver kam.

Als überlegen zu gelten, ist kein Vorteil. Der „Underdog“ hat die leichtere Rolle. Wenn Clinton die Ruhe bewahrt, Fehler vermeidet, ihre Kompetenz beweist und präsidialer wirkt als Trump, hat sie nicht gewonnen, sondern lediglich die Erwartungen erfüllt. Trump hat wenig zu verlieren. Und das Überraschungsmoment für sich.

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