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Kanzler Olaf Scholz (SPD) trifft am Donnerstag am Tagungsort in Brüssel ein.

© Kenzo Tribouillard/REUTERS

Erster EU-Gipfel als Kanzler: Scholz steht im Streit um Nord Stream 2 unter Druck

Bei Scholz’ erstem EU-Gipfel wird um mögliche Sanktionen gegen Russland in der Ukraine-Krise gerungen. Die Zahl der Gegner des Projekts Nord Stream 2 ist groß.

Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) ist in Brüssel natürlich kein Unbekannter. Als Finanzminister war er oft genug dort. Aber gut eine Woche nach seiner Amtsübernahme von Angela Merkel war ihm dennoch das Bemühen anzusehen, seine Worte im Brüsseler Ratsgebäude genau zu wägen. Sein Statement zum Auftakt des EU-Gipfels fiel jedenfalls nicht länger aus, als man dies von seiner Vorgängerin bei solchen Gelegenheiten gewohnt war.

Denkbar ernst ist auch die Lage, in der sich die Staats- und Regierungschefs der EU am Donnerstag versammelten. Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach ukrainischen Angaben rund 100.000 Soldaten im Osten der Ukraine zusammengezogen. Zusätzlich angespannt ist die Situation nach dem Urteil im Berliner Tiergartenprozess, welches Russland „Staatsterrorismus“ bescheinigte.
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Als Scholz also am Tagungsort ankam, wurde er nach einer Reaktion auf das Berliner Urteil gefragt. Statt einer weitschweifigen Erklärung beließ er es mit Blick auf die Ermordung des Georgiers Selimchan Changoschwili bei der wenig konkreten Feststellung, „dass hier schlimme Dinge passiert sind“. Die von Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) verfügte Ausweisung zweier russischer Diplomaten sei „völlig richtig“, fügte er noch hinzu.

Scholz betont Unverletzbarkeit der Grenzen

Zum Aufmarsch russischer Truppen an der Ostgrenze der Ukraine sagte Scholz, man werde „gemeinsam alles dafür tun“, damit es bei der Unverletzbarkeit der Grenzen bleibe. Welchen Preis Kremlchef Putin aber bei einem Angriff auf die Ukraine zahlen müsse, ließ der Kanzler offen. Dagegen hatte Polens Regierungschef Mateusz Morawiecki am Vortag erklärt, bei denkbaren Strafmaßnahmen sei die Gaspipeline Nord Stream 2 „ein Teil des großen Puzzle“.

Auch Lettlands Regierungschef Krisjanis Karins forderte, das Projekt der Ostsee-Pipeline zu stoppen, falls sich Russlands militärische Aktivitäten an der ukrainischen Ostgrenze erhöhten.

Scholz und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hatten sich bereits am Mittwoch mit dem ukrainischen Staatschef Wolodymyr Selenskyj auf weitere Dreiertreffen verständigt, solange Putin nicht zu Verhandlungen im sogenannten Normandie-Format zu viert bereit ist. Luxemburgs Regierungschef Xavier Bettel äußerte sich skeptisch zu Dreiergesprächen mit der Ukraine, aber ohne Russland. Es sei schwierig, ohne die beteiligten Akteure zu Lösungen zu kommen, sagte Bettel zur Begründung. „Wir müssen mit Russland sprechen“, unterstrich er. Auch neue Sanktionen lehnte er ab. Auf diesem Weg sei jahrelang nur wenig erreicht worden.

Unterschiedliche Auffassungen über hohe Energiepreise

Unterschiedliche Auffassungen wurden auch beim Thema der derzeit hohen Energiepreise deutlich. Die Staats- und Regierungschefs besprachen ein neues Gesetzespaket der EU-Kommission, das gemeinsame Einkäufe und Lagerung von Gas ermöglichen würde. „Das sind gute Nachrichten, aber es reicht nicht aus“, sagte der spanische Premierminister Pedro Sanchez dazu. „Wir müssen die Struktur der Energiepreise auf europäischem Niveau überarbeiten.“

Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez am Donnerstag in Brüssel.
Spaniens Regierungschef Pedro Sanchez am Donnerstag in Brüssel.

© Kenzo Tribouillard/REUTERS

Spanien und Frankreich wollen angesichts der hohen Energiepreise den europäischen Strommarkt reformieren, damit zum Beispiel Kunden von erneuerbarer Energie weniger zahlen. Deutschland und andere sehen einen solchen Markteingriff kritisch.

Keine Impfpflicht auf EU-Ebene

Beim Gipfel ging es natürlich auch um die Corona-Pandemie und den Umgang mit der hoch ansteckenden Omikron-Variante. Die 27 Länder wollen hier auf beschleunigte Auffrischungsimpfungen setzen. „Impfungen für alle anzubieten und Booster-Dosen bereitzustellen, ist entscheidend und dringend“, hieß es in den gemeinsamen Schlussfolgerungen. Eine Impfpflicht in der EU zeichnet sich hingegen bislang nicht ab. Deutschland wie Österreich haben eine solche Maßnahme auf den Weg gebracht, in Deutschland soll in Kürze der Bundestag darüber abstimmen.

Beraten wurde auch über die Flüchtlingssituation an der polnisch-belarussischen Grenze. Scholz betonte dabei die Solidarität Deutschlands mit Polen. Er verurteilte die „hybride Attacke aus Belarus auf die europäische Grenze“. Scholz sagte: „Wir werden alles gemeinsam unternehmen, um das zurückzuweisen und dafür zu sorgen, dass das nicht funktioniert, was sich das dortige Regime ausgedacht hat.“ Die gemeinsamen Aktivitäten der EU hätten bereits dazu geführt, dass nicht mehr in gleicher Weise viele Fluggesellschaften Menschen nach Belarus brächten, die dort für die Zwecke des Regimes missbraucht würden.

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