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Der CDU-Vorsitzende Armin Laschet begeht am Mittwochabend seinen ersten Koalitionsgipfel.

© Marijan Murat/dpa

Erster Koalitionsgipfel des neuen CDU-Chefs: Das Lauern auf Laschets Fehler

Die Premiere des neuen CDU-Chefs Armin Laschet auf dem Koalitionsgipfel am Mittwochabend fällt in ungemütliche Zeiten. Wie geht die Konkurrenz mit ihm um?

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Armin Laschet trifft bei seinem ersten Koalitionsgipfel am Mittwochabend als neuer CDU-Vorsitzender auf lauter Bekannte. Auf Unionsseite sowieso – von Kanzlerin bis zum Fraktionschef Ralph Brinkhaus, der in NRW zugleich sein Vize im Parteivorsitz ist.

Aber auch die sozialdemokratischen Truppenteile sind dem Neuen nicht fremd – Olaf Scholz aus gemeinsamer Zeit im Bundesrat, als der Finanzminister noch Hamburg regierte, Norbert Walter-Borjans als NRW-Finanzminister, Fraktionschef Rolf Mützenich stammt aus Köln. Nur SPD-Co-Chefin Saskia Esken wird eine neue Erfahrung.

Laschet hat im Vorfeld schon ausführlich mit Esken und Walter-Borjans telefoniert. Seine Premiere fällt in ungemütliche Zeiten. Die große Koalition geht in die letzten Monate, der Wahlkampf wirft lange Schatten voraus.

Selbst im eigenen Lager knirscht es vernehmlich. Dass Angela Merkels Kanzleramtschef Helge Braun (CDU) die Schuldenbremse zur Disposition stellte, konnte Laschet nur als Provokation verstehen.

Entsprechend scharf seine Antwort: An programmatischen Grundfesten rütteln, und das obendrein an Fraktion und Partei vorbei – nicht mit mir. Dem Nordrhein-Westfalen ist klar, dass der Sieg im Rennen um den CDU-Vorsitz nur die erste Etappe für das Ziel Kanzleramt ist.

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Doch kurz vor dem Koalitionsgipfel träufelte SPD-Chef Norbert Walter-Borjans nochmal etwas Öl in dieses Feuer, er sieht kaum Alternativen zum abermaligen Aussetzen der Bremse. Im Lager der Sozialdemokraten glauben sie, dass Braun schlicht die Finanzlage analysiert hat und seine Leute auf die Wahl zwischen Pest (Schuldenbremse lockern) oder Cholera (hartes Sparprogramm) vorbereiten wollte.

In den nächsten drei bis vier Wochen werden die Eckwerte des Haushalts 2022 und die Finanzplanung der Folgejahre festgezurrt, daher braucht es über den Haushaltsfahrplan eine Verständigung. Finanzminister Olaf Scholz (SPD) zeichnet die Lage recht düster.

„Es darf nach Corona keine Vollbremsung geben, die wahlweise zu Sozialabbau oder Verzicht auf dringend gebotene Zukunftsinvestitionen oder sogar zu beidem führen würde“, sagte SPD-Chef Walter-Borjans nun dem Tagesspiegel.

Auf dem Weg zum ersten Koalitionsgipfel: CDU-Chef Armin Laschet
Auf dem Weg zum ersten Koalitionsgipfel: CDU-Chef Armin Laschet

© dpa

So wie es zurzeit aussehe, rechtfertige die Lage „auch 2022 eine Ausnahme von der Schuldenbremse“. Angesichts von Nullzinsen und einer guten Finanzverfassung Deutschlands wäre das absolut tragbar. Walter-Borjans wandte sich klar gegen Überlegungen von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), Staatsanteile an Unternehmen zur Finanzierung der Krisenkosten zu verkaufen.

Einen „Verkauf von Tafelsilber“ werde es nicht geben. „Das ist das Patentrezept der Konservativen und Neoliberalen, wenn ihnen nichts mehr einfällt“, meint der SPD-Chef. Der Verkauf von öffentlichem Eigentum würde nicht helfen, die Schuldenbremse einzuhalten, weil dem Verzicht auf Kredite ein Vermögensverlust in gleicher Höhe gegenüberstünde. „In der Schule würde es heißen: Setzen, sechs“, sagte er Richtung Altmaier.

Der Impfstreit als Vorbote?

Das Klima wird rauer, das zeigte schon der Impfstreit. Das gibt einen Vorgeschmack auf die nächsten Monate. Trotz Pandemie steigen Proflierungssehnsüchte - und die SPD sucht nach Ideen, wie sie aus dem Umfragetief heraus und irgendwie vor die Grünen kommen kann. Die Union ist klarer Favorit für die Bundestagswahl. Zeigt Laschet aber Schwächen, droht der Ruf nach Markus Söder als Kanzlerkandidaten wieder lauter zu werden.

Im Moment verhält sich der Bayer vergleichsweise unauffällig, was seine Ambitionen angeht. Die Probleme beim Impfstart machen auch ihm daheim zu schaffen. Söders Forderungssalven vor dem Impfgipfel wirkten oft wie Selbstverteidigung. Allerdings hatte auch Lachet zuletzt mit massivem Ärger über zusammenbrechende Termin-Hotlines zu kämpfen.

Laschet kennt den CSU-Chef gut genug, um zu wissen, dass der Bayer aus dem Stand auf Attacke umschalten kann, sobald er eine offene Flanke wittert. So eine Traditionsveranstaltung wie der Politische Aschermittwoch in gut zwei Wochen bietet allemal Gelegenheit, unter einer vorgetäuschten Narrenkappe Gifteleien auszusprechen. Der Event findet nämlich statt, sogar in der üblichen Passauer Dreiländerhalle, wenn auch ohne Zuschauermassen und nur digital.

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Einige, die schon länger im Koalitionsausschuss dabei sind, erinnern sich an manche Lästerei Söders in Richtung Laschet. Die SPD-Teilnehmer können nun schon einmal Nahstudien betreiben, wer von den beiden denn der angenehmere Gegner im Bundestagswahlkampf wäre. Da scheint die Wahl klar auf Laschet zu fallen.

Der SPD-Wahlkampf soll ganz auf Olaf Scholz zugeschnitten, das Bild des verlässlichen und erfahreren Krisenmanager gezeichnet werden, der für Respekt, Zukunft, Europa stehe. Dieses Mal soll kein Kandidat künstlich verändert und in ein Korsett gepresst werden. Um die Bürger wieder mehr zu erreichen, wird in schmissigen Videos aus SPD, der Sozialdemokratischen Partei Deutschlands: „Soziale Politik für Dich.“

Merkel will keine Restlaufzeit im Streit

Angela Merkel will ihre Restlaufzeit sicher nicht in einem Bündnis verbringen, das im Streit versinkt und ihr den Abgang verdüstert. Auf der SPD-Seite gehen sie übrigens davon aus, dass Laschet die Kandidatur sich greifen wird. Bei den Grünen rechnen die meisten Koalitionäre mit der Spitzenkandidatin Annalena Baerbock.

Doch allen ist auch klar, dass die Bürger erstmal ganz andere Sorgen haben – etwa, wann sie geimpft werden. SPD-Chefin Esken machte sich im Vorfeld für einen einen monatlichen Corona-Zuschlag für die Bezieher von Grundsicherung stark. Sie verweist etwa auf die höheren Kosten für Kinder aus sozial schwächeren Familien, die wegen des Lockdowns in Kitas und Schulen derzeit kein Gratis-Essen bekommen.

Da der SPD viele der Hartz-IV-Sanktionen ohnehin ein Dorn im Auge sind, wird versucht, aus einer Ausnahme- eine Dauerregelung zu machen. In der Pandemie ist der Zugang zur Grundsicherung erleichtert worden, daher will Esken, dass dauerhaft in den ersten zwei Bezugsjahren angesparte Vermögen und die Angemessenheit der Wohnung nicht geprüft werden.

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