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Patrick Graichen bleibt Staatssekretär, zumindest vorerst.

© picture alliance / photothek/Janine Schmitz

Habecks umstrittener Staatssekretär: Graichen bezieht Stellung – doch Union und FDP wollen weitere Anhörung

Seit Wochen steht Robert Habecks Staatssekretär in der Kritik, nun äußerte er sich erstmals wieder öffentlich. Derweil wird das Protokoll seiner ersten Anhörung publik.

Für seinen ersten Schritt zurück in die Öffentlichkeit bleibt Patrick Graichen lieber in seinem Büro. Von dort ist er per Video zu einem Gespräch auf der Energietage-Konferenz zugeschaltet. Im Hintergrund von Graichens Büro sind ein Sofa und ein paar Akten zu sehen, an der Wand zwei gemalte Bilder einer Solaranlage und eines Windrads.

Es ist eine entspannte Atmosphäre, die Fragen sind es auch. Nach 30 Minuten darf Graichen zum Abschluss noch Wünsche an die Energiebranche, Heizungsindustrie und an Mieterverbände äußern.

Seit fast einem Monat bestimmt der Staatssekretär von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) die Schlagzeilen. Weil er seinem Trauzeugen Michael Schäfer dazu verhalf, neuer Geschäftsführer der Deutschen Energie-Agentur (Dena) zu werden, fordert die Opposition seinen Rücktritt. Habeck nahm Graichen in Schutz und zahlt seitdem einen Preis.

53
Prozent einer Befragung sind mit der Arbeit von Robert Habeck unzufrieden.

Jüngsten Umfragen zufolge sind 53 Prozent der Bürger mit seiner Arbeit unzufrieden – der schlechteste Wert aller Minister. Hinzu kommen die verpatzte Bremenwahl und die zähe Kritik am Heizungsgesetz.

Zu diesem bezieht Graichen am Dienstag Stellung. „Es gibt eine große Verunsicherung“, räumte er in dem Gespräch mit Jürgen Pöschk, Geschäftsführer des Branchen-Treffs Energietage, ein. Deshalb müsste auch das Wirtschaftsministerium seine Kommunikation für das geplante Einbauverbot von Öl- und Gasheizungen verbessern. Das sei nicht nur für mehr Klimaschutz sinnvoll: „Am Schluss ist eine Wärmepumpe im Betrieb günstiger als eine Gasheizung“, sagt Graichen. Die Investitionskosten von 20.000 bis 25.000 Euro seien „ordentlich Geld, mit Förderung aber stemmbar“.

Warnung vor kurzfristigem Kauf einer Öl- oder Gasheizung

Graichen warnt zudem vor dem kurzfristigen Kauf einer Öl- oder Gasheizung vor Inkrafttreten des Gesetztes. „Die CO₂-Preise werden die Öl- und Gaspreise ab 2027 immer teurer werden lassen“, sagt Graichen, der an anderer Stelle jedoch den Bau der neuen Flüssigerdgas-Infrastruktur vor Rügen verteidigte. „Der nächste Winter hat noch seine Risiken.“ Das LNG-Terminal vor der Urlaubsinsel sei nötig. Sollte der Winter kalt und das russische Gas über die Ukraine-Pipeline abgestellt werden, könnte es „in Richtung Gasmangellage gehen“. Pöschk nickt und bedankt sich für den Appell. 

Im Ausschuss standen Graichen und Habeck Frage und Antwort.
Im Ausschuss standen Graichen und Habeck Frage und Antwort.

© dpa/Kay Nietfeld

Anderswo erfährt Graichen in diesen Tagen mehr Gegenwind, etwa im Ausschuss für Wirtschaft und Klimaschutz, der ihn vergangene Woche vorgeladen hatte. Aus dem inzwischen veröffentlichten Wortprotokoll geht hervor, dass Graichen bereits im Januar von Schäfer telefonisch über dessen Bewerbung informiert wurde. Er habe später einer Personalagentur Schäfer und andere Bewerber vorgeschlagen.

Beim Reinkommen habe ich sie auch geduzt und während der Sitzung selbst alle sechs gesiezt.

Patrick Graichen über das Auswahlverfahren in der Ausschussanhörung.

Am 10. März saß er Schäfer dann als Teil einer dreiköpfigen Findungskommission gegenüber. Er habe die Kommission nicht informiert, dass es sich dabei um seinen Trauzeugen handle, sagte er auf die Fragen von CDU-Politikerin Julia Klöckner. Er habe vier von sechs Bewerbern bereits gekannt. „Beim Reinkommen habe ich sie auch geduzt und während der Sitzung selbst alle sechs gesiezt.“

Klöckner treibt Graichen mit ihren Fragen geschickt vor sich her: „Haben Sie sich ausgesprochen für ihn, für Herrn Schäfer?“, will sie schließlich wissen. Graichen weicht zunächst aus: Es sei eine einvernehmliche Diskussion in der Findungskommission gewesen. Klöckner hakt nach: „Ich habe gefragt, ob Sie sich für ihn ausgesprochen haben?“ Daraufhin Graichen etwas umständlich: „Ich habe insgesamt zu dem Thema, ich glaube, ich habe zu dem Thema eine positive Empfehlung ausgesprochen.“

Aus dem Protokoll wird zudem ersichtlich, dass erst eine öffentliche Kritik an dem Vorgang in einer Bundestagsdebatte Graichen gezeigt hätte, dass er falsch gehandelt habe. „Da war mir dann klar: Okay, das wird anders wahrgenommen“, sagte er im Ausschuss. Am 24. April habe er Habeck deshalb informiert.

„Mir war unmittelbar klar, dass das eine relevante Information ist, die wahrscheinlich mit den Compliance-Regeln nicht im Einklang steht“, erinnert sich Habeck im Ausschuss.

Doch zu diesem Zeitpunkt ist es schon zu spät, drei Tage zuvor hatte Schäfer bereits seinen neuen Vertrag unterzeichnet. Es sei daher „möglich“, dass Schäfer noch finanzielle Ansprüche geltend machen könne, obwohl die Ausschreibung ohne ihn neu ausgerollt wird.

Die Union will diese und weitere Fragen in einer weiteren Ausschussanhörung am 24. Mai klären und dafür Habeck, Graichen und weitere Staatssekretäre einladen. Die FDP scheint dies zu unterstützen. „Minister Habeck steht in der Verantwortung, die ungeklärten Fragen rund um die Empfehlung des eigenen Trauzeugen durch Staatssekretär Graichen aufzuklären“, sagte der energiepolitische Sprecher der FDP, Michael Kruse, der „Welt“.

Und auch die Drohung eines Untersuchungsausschusses, den CSU-Chef Markus Söder zuletzt forderte, steht weiter im Raum. Für Patrick Graichen ist die Trauzeugen-Affäre noch nicht ausgestanden.

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