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Politik: Erster Test für Stoibers Erben

München - Es gibt Flecken auf dieser Erde, die hat der liebe Gott zum Trost für die Vertreibung aus dem Paradies geschaffen. Über dem neuen Gymnasium in Dießen am Ammersee strahlt die Wintersonne vom blauen Himmel, modelliert am Horizont die Alpen zu purem Kitsch, und auch auf den Herrn Ministerpräsidenten fällt ein warmer Strahl.

Von Robert Birnbaum

München - Es gibt Flecken auf dieser Erde, die hat der liebe Gott zum Trost für die Vertreibung aus dem Paradies geschaffen. Über dem neuen Gymnasium in Dießen am Ammersee strahlt die Wintersonne vom blauen Himmel, modelliert am Horizont die Alpen zu purem Kitsch, und auch auf den Herrn Ministerpräsidenten fällt ein warmer Strahl. Es könnte so schön sein in Bayern. Leider wartet auf Günther Beckstein nicht nur der Schulchor, sondern auch ein Dutzend Lehrer und Eltern. Und die sind unzufrieden.

Noch unter Edmund Stoiber ist die Gymnasialzeit von neun auf acht Jahre verkürzt worden. Über die Folgen stöhnen alle. Eltern klagen über völlig überlastete Kinder. Lehrer klagen darüber, dass ihnen keiner sagt, wie sie mit der Stofffülle klarkommen sollen. Beckstein hört allen zu. Am Ende wird er den Eltern Hilfe zusagen – Entschlackung der Lehrpläne zum Beispiel –, die Lehrer aber sacht beschimpfen: „Meine Frau sagt: Ihr seid alles Akademiker und müsst wissen, wie man sich selbst Neues beibringt!“

Mitten im Kommunalwahlkampf ist solche Grantigkeit durchaus tapfer. Aber Beckstein weiß, dass die erste Bewährungsprobe für ihn und den neuen CSU- Chef Erwin Huber ohnehin schwierig zu bestehen ist. Da hülfe es nicht, wenn er plötzlich allen alles versprechen würde. Zumal bei den großen Aufregern dieses kleinen Wahlkampfs – vom Kurzgymnasium übers strikte Rauchverbot in Gaststätten bis zur wirtschaftlichen und politischen Großwetterlage – der Spielraum für die CSU gering ist. Dazu kommt die Krise um die Fehlspekulationen der Landesbank im US-Immobiliengeschäft, in der Huber, zugleich Finanzminister, nicht besonders souverän agierte.

Entsprechend sorgenvoll gedämpft sind die Erwartungen für diesen Sonntag. Von einer Rückeroberung der großen Städte aus der Hand der SPD ist in der CSU längst keine Rede mehr – im Gegenteil, nach München, Nürnberg, Augsburg droht auch Regensburg zu fallen, seit sich dort die CSU selbst zerlegt hat. Ohnehin gilt bei Bürgermeister- und Landratswahlen die Gleichung „Bayern = CSU“ nicht; populäre Kandidaten haben Chancen unabhängig vom Parteibuch. Und in den Kommunen sind die Freien Wähler traditionell stark. Die Linkspartei hingegen tritt nur vereinzelt überhaupt an.

Die Deutung des Wahlergebnisses, das komplett erst am Mittwoch vorliegt, unterliegt infolgedessen einer gewissen Willkür. Das könnte dem Duo Beckstein/Huber helfen, aber auch schaden, je nachdem. Die berühmte 50-Prozent-Hürde ist als Maßstab irrelevant – selbst zu Stoibers besten Kanzlerkandidatenzeiten 2002 kam die CSU im Landesgesamtschnitt kommunal nur auf rund 46 Prozent. Ein allzu deutliches Absinken unter diesen Wert würde freilich als Indiz dafür gewertet, dass Stoibers Nachfolger dessen großes Erbe nicht sicher bewahren können; aber auch allzu starke Negativausschläge in einzelnen Hochburgen könnten solche Zweifel mehren.

Für Beckstein mag das selbst über die Landtagswahl im Herbst hinaus nicht bedrohlich sein. Er ist beliebt, und als Ministerpräsident drängt sich kein anderer auf. Huber hingegen ist extra noch nicht nach Berlin gegangen, damit er die Wahlkämpfe befeuern kann. Klappt das nicht, stehen Alternativen zum Parteichef schnell bereit. Robert Birnbaum

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