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© POOL REUTERS

Erster Weltkrieg: Mit großer Geste

Als erste Kanzlerin nimmt Angela Merkel an den Feiern zum Ende des Ersten Weltkriegs in Paris teil.

Die politischen Bande zwischen Frankreich und Deutschland sollen noch enger werden. Das war die erklärte Absicht, als Frankreichs Präsident Nicolas Sarkozy und Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch gemeinsam in Paris der Opfer des Ersten Weltkriegs gedachten. „Ihre Anwesenheit heute hier ist eine außergewöhnliche Geste der Freundschaft, deren Tragweite die Franzosen zu schätzen wissen“, sagte Sarkozy bei der traditionellen Feier. Die Kanzlerin erwiderte bei der Zeremonie am Triumphbogen, sie sei sich des Leides bewusst, das Deutsche den Franzosen in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zugefügt hatten. Aus der Kraft der Versöhnung seien jedoch Vertrauen und Freundschaft entstanden. Es war das erste Mal, dass eine deutsche Regierungschefin an den Feiern des „Armistice“ teilnahm, des in Frankreich als Sieg über Deutschland begangenen Waffenstillstandstags von 1918.

Nach dem denkwürdigen Händedruck 1984 zwischen François Mitterrand und Helmut Kohl über den Gräbern von Verdun hatte Präsident Jacques Chirac 1998 den damaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder zum 11. November nach Paris eingeladen. Schröder verkannte allerdings die Bedeutung, die dieser Tag für Frankreich hat – er schlug die Einladung aus.

Nach dem Tod des letzten französischen Veteranen des Ersten Weltkriegs vor einem Jahr hatte sich Sarkozy entschlossen, dem Waffenstillstandstag mit der Einladung an Merkel einen neuen Sinn als „Tag der deutsch-französischen Aussöhnung“ zu geben. In seiner Rede brachte Sarkozy am Mittwoch diesen Wunsch mit einer Bemerkung zum Ausdruck, in der ein französischer Präsident erstmals öffentlich das Versagen der Sieger von 1918 bedauerte, „die nicht das tragische Schicksal sehen wollten, das sie mit den Besiegten verband“. Heute sei die deutsch-französische Freundschaft ein „Schatz“, den man mehren müsse.

Was sich Sarkozy unter einer verstärkten Zusammenarbeit mit Deutschland vorstellt, ist noch ungewiss. Zu Beginn seiner Amtszeit vor zweieinhalb Jahren hatte er geglaubt, seine politischen Ziele eher mit Großbritannien als mit Deutschland durchsetzen zu können. Dies hat sich in der Finanzkrise jedoch als Illusion erwiesen. Seither werden in Paris ständig neue Ideen für eine Verstärkung der Kooperation mit Berlin ventiliert. So regte der Europa-Staatssekretär Pierre Lellouche an, einen deutsch-französischen Minister zu berufen, der an den Kabinettssitzungen in Paris und Berlin teilnimmt.

Die Frankreichexpertin der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), Claire Demesmay, findet die Idee, starke Symbole im deutsch-französischen Verhältnis einzusetzen, im Grundsatz richtig. „Das trägt dazu bei, das Bild der Partnerschaft in der Zivilgesellschaft zu verankern“, sagt sie. Allerdings hält sie es für geboten, sparsam mit Symbolen umzugehen. Die Idee Sarkozys, den 11. November zu einem deutsch-französischen Tag zu deklarieren, hält sie für heikel – zumal das Verhältnis zwischen beiden Ländern bereits jährlich am 22. Januar, dem Jahrestag des Freundschaftsvertrages (Elysée-Vertrag), und am 9. Mai zur Erinnerung an die Europa-Erklärung des früheren französischen Außenministers Robert Schumann gewürdigt werde.

Den französischen Vorschlag, einen gemeinsamen deutsch-französischen Minister zu berufen, sieht Claire Demesmay ebenfalls skeptisch – und teilt damit die Vorbehalte der Bundesregierung. „Um ein solches Amt zu bekleiden, müsste man schon sowohl den deutschen als auch den französischen Pass haben, ansonsten gäbe es Loyalitätsprobleme“, sagt die Expertin. Darüber hinaus stelle sich die Frage, welche politische Funktion ein solches Amt haben solle: „Braucht man wirklich einen solchen Minister, und wozu?“

Auch Daniela Schwarzer, Leiterin der Forschungsgruppe EU-Integration bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), meldet Zweifel am Sinn und Zweck eines deutsch-französischen Ministerpostens an: „Ich glaube nicht, dass Frau Merkel nun einen Minister X ihre Beziehungen zu Sarkozy managen lässt.“ Dabei hält sie eine verstärkte deutsch-französische Zusammenarbeit durchaus für geboten. Die Expertin bemängelt, dass Berlin und Paris unterschiedliche Auffassungen über das Tempo beim Abbau der Schulden haben, die in beiden Ländern bei der Bekämpfung der Wirtschaftskrise aufgetürmt wurden. Dies zeigte sich auch beim Treffen der EU-Finanzminister Anfang der Woche in Brüssel: Während Deutschlands neuer Ressortchef Wolfgang Schäuble (CDU) angekündigt hat, dass Deutschland bis 2013 bei der Neuverschuldung wieder unter der von der EU verlangten Drei-Prozent-Marke landen wird, braucht Frankreich mehr Zeit bei der Haushaltskonsolidierung. Erst im Jahr 2014 will Paris das Ziel von drei Prozent erreichen.

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