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Erzbischof Marx: „Ich zähl’ auf Euch!“

Westfale im Liebfrauendom: Der neue Erzbischof von München und Freising Reinhard Marx präsentiert sich mit Selbstironie.

Es geht ein kalter Schneewind um die Frauenkirche, als der neue Erzbischof von München und Freising, Reinhard Marx, am Samstagmittag aus dem Gotteshaus tritt, um nach der feierlichen Messe in die warme Sakristei zurückzugelangen. Aber die Kälte macht ihm nichts. Zum einen ist Reinhard Marx, ein bekennender Freund von gutem Essen, Trinken und Zigarren, recht gut gepolstert unterm Gewand, zum anderen strahlt er dermaßen, dass selbst den Mit-Zelebranten an seiner Seite das Frösteln vergeht. Kurz vor dem Wiedereintreten lässt er noch einen Satz los, der zu seinem festen Credorepertoire zählt: „Ich zähl’ auf Euch!“, ruft Reinhard Marx laut hin zu einem Grüppchen von Menschen, und die wissen augenscheinlich gar nicht, wie ihnen geschieht.

So dankbar viele Münchner Katholiken auch die 26-jährige Amtsperiode des Erzbischofs Friedrich Kardinal Wetter rekapitulieren, so gespannt sind sie jetzt auf den Neuen. Zuletzt nämlich war Kardinal Wetter zwar immer noch der gute Geist der Diözese, wirkte jedoch manchmal seltsam entrückt.

Sein Nachfolger nun ist 54 Jahre alt und steht mit beiden Beinen auf dem Boden. Das hat wohl auch damit zu tun, woher er kommt: Reinhard Marx ist Westfale, und die haben es nun mal nicht so mit dem Abstrakt-Spirituellen. Vielmehr zählt, was einer tatsächlich vermag, und das ist im Fall von Marx eine ganze Menge. Vor allem kann er mit Menschen. Was wiederum nicht heißt, dass er keine unverrückbaren Prinzipien hätte. Sein Münchner Wappenschild schmückt ein Spruch aus dem zweiten Korintherbrief: „Ubi spiritus Domini ibi libertas.“ Der neue Erzbischof würde die Sentenz im Deutschen wohl noch etwas verschärfen: „Nur wo der Geist des Herrn wirkt, da ist Freiheit!“ Bei allem Engagement für die Ökumene entzog er dem saarländischen Theologieprofessor Gotthold Hasenhüttl vor zwei Jahren die kirchliche Lehrerlaubnis, weil jener auf einem Ökumenischen Kirchentag in Berlin auch Protestanten zur Kommunion eingeladen hatte. Das ist namentlich in Rom und von Papst Benedikt XVI. vermerkt worden.

In der Deutschen Bischofskonferenz ist Marx für gesellschaftliche und soziale Fragen zuständig und leitet die Kommission „Justitia et Pax“. Gut möglich, dass nach seiner Versetzung in die älteste Diözese des Landes in zwei Wochen ein weiteres Amt für Marx hinzukommt: als neuer Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz für die Nachfolge des schwer erkrankten Karl Lehmann. Es gibt jedoch auch viele katholische Repräsentanten, denen die Karriere von Reinhard Marx zu schnell geht, und die finden, es reiche durchaus, dass Marx zunächst einmal im Rang seinem Vorvorgänger Joseph Ratzinger folge, der in München von 1977 an fünf Jahre gewirkt hat.

Der neue Erzbischof, dessen Einführungsgottesdienst von erstaunlich viel Musik des musikalischen Oberprotestanten Johann Sebastian Bach begleitet wird, entkrampft die Präliminarien schon allein dadurch, dass er von Dingen redet, die sonst im Liebfrauendom selten Erwähnung finden. So findet Marx Zeit, sein gutes altes Bett zu loben, in dem er auf bayerischem Boden nun die erste Nacht verbracht habe. Überhaupt pflegt er einen wohltuend selbstironischen Umgang mit sich selbst und nicht zuletzt mit seinem Nachnamen.

Reinhard Marx kommt als Botschafter, und wenn es dabei ein wenig nach Schinkenspeck und Eingemachtem riecht, dann ist ihm das recht. Nicht von ungefähr fällt der Name des derzeitigen Papstes nur ein einziges Mal; als lebensnäheres Vorbild scheint Marx Johannes Paul II. zu betrachten, von dem er nicht nur wertschätzend, sondern liebevoll spricht: ein Vorbild! Die Kollekte – auch ein Novum an einem solchen Tag – geht an die Katholische Jugendfürsorge, die sich um straffällig gewordene Jugendliche kümmert.

Es könne nämlich sein, gab Marx zu bedenken, dass manchem die Kirche etwas zu heilig vorkomme, und nun sei zwar gegen das Heilige an sich nichts einzuwenden, er aber habe vor, „sich politisch und gesellschaftlich einzumischen“.

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